: Gepflegter Tiefsinn
Musik Mobylettes repräsentiert die 1960er Jahre nicht nur durch ihr äußeres Auftreten. Am Freitag ist die musikalische Hochglanznummer um die Sängerin Diana Diamond zu Gast im Culture Container
von Annika Glunz
Wenn Diana Diamond die Bühne betritt, präsentiert sie ein perfekt aufeinander abgestimmtes Gesamtpaket: Im ihren Vintage-Tweedkostümen mit passendem Schmuck, Hochsteckfrisur, breitem Lidstrich und sanfter, altmodisch klingender Stimme scheint sie auf direktem Wege aus den 60ern in der Gegenwart gelandet zu sein.
Die Sängerin der Mobylettes, benannt nach dem französischen Mofa, das zwischen 1949 und 1984 gebaut wurde, repräsentiert die 60er Jahre nicht nur durch ihr Äußeres, sondern lebt den Stil vollkommen aus: „Meine Bühnenfigur ist keine Kunstfigur in dem Sinne. Ich hab mir nie überlegt, eine Rolle zu spielen. Es ist schon ein Teil von mir, und es macht mir sehr viel Spaß, mich zu bestimmten Gelegenheiten entsprechend anzuziehen“, so Diamond.
Die Hamburgerin blickt bereits auf jahrzehntelange Erfahrungen als Musikerin zurück. Lange Zeit war sie unter dem Pseudonym „Nixe“ Sängerin der Kult-Band Huah!, einer Band der ersten Generation der Hamburger Schule. Neben Diana Diamond/Nixe waren auch Frank Möller alias Knarf Rellöm alias Walding, Mense Reents, der später Egoexpress und Stella gründete und Mitglied der Goldenen Zitronen ist, Bernadette La Hengst, die später Die Braut haut ins Auge ins Leben rief, dabei. Huah! hatte wesentlichen Einfluss auf den deutschsprachigen Pop, und die Hamburger Schule brachte als namhafte „Institution“ Bands hervor wie Tocotronic, Die Sterne oder auch Blumfeld. Huah! spielten Rockschlager, die von den Irrungen und Wirrungen der Liebe und des ganz banalen Alltags handelten.
Diamond gründete die Mobylettes zunächst als reines Party-Projekt. Das sollte sich jedoch schnell ändern: Spätestens nach der Auflösung von Huah! avancierte das Party-Projekt sehr schnell zu einer mit subtilem Humor und Wortwitz beladenen musikalischen Hochglanznummer, die sich stilistisch zwischen Motown-Soul, All-Girl-Bands und Garagen-Beat und Chanson bewegt. Sowohl Hammondorgel als auch Hintergrundgesang bekräftigen an vielen Stellen den stilechten 60er-Jahre-Sound, der geprägt ist von Bands mit mehreren Sängerinnen wie den Supremes, den Marvelettes oder den Ronettes. Die Harmonien leben vom Widerspruch zwischen einem altmodisch-schlageresken Stil und dem tiefsinnigen Erzählen von Geschichten.
Aktuell bestehen die Mobylettes aus fünf Mitgliedern: Neben Diamond zählen Co-Komponist Max Knoth, der auch Bass spielt, Peter Weiss an der Gitarre, Axel Jansen am Schlagzeug und Erich Abel an der Orgel zur Band.
Inhaltlich drehen sich die Songs um die unglücklichen Seiten der Liebe; um Trennung, Abschied, Tränen, Leid und Schmerz. Der fluffig-leichte Sound der Songs jedoch hebt deren schwere Inhalte nahezu spurlos auf: Während man beim Hören der hauptsächlich deutschsprachigen Texte zuweilen nachdenklich wird, wollen die Füße am liebsten lostanzen – und im nächsten Augenblick verweist einen der abgeklärte Humor der Texte auf sehr empathische Art und Weise darauf, dass das Leben doch im Grunde nur ein Spiel ist: „Hattest du nicht schon immer das Beste von allem/ glaube mir, ich bringe kein Glück/ wenn Leute wie du auf die Füße fallen/ brechen Leute wie ich ihnen das Genick“.
Bei den Mobylettes geht es darum, selbst so hochkomplexe und emotional aufgeladene Dinge wie Liebesbeziehungen mit einem Augenzwinkern zu betrachten und sich zumindest ab und zu mal eine Auszeit zu gönnen, indem man sich lächelnd über sie stellt. Souverän-abgeklärt über den alltäglichen Wahnsinn trällert Diamond auch in dem Song „E=MC²“, dessen Titel die Formel für die Äquivalenz von Masse und Energie darstellt: „Ich bin hier und ihr seid da/ ein Tag dauert bei euch ein Jahr/ in meinem Zimmer scheint Ewigkeit nur eine fünfte Jahreszeit/ das ist die sogenannte Relativität“.
Auch wenn die Band mittlerweile weit über die Hamburger Musikszene hinaus bekannt geworden und zu großer Beliebtheit unter den Fans gelangt ist – von den Mobylettes allein lebt keines der Bandmitglieder. Jeder für sich ist an diversen weiteren musikalischen und/oder künstlerischen Projekten beteiligt – sehr zum Vorteil der Band, die so über große gestalterische Freiheiten verfügt und sich laufenden Inputs von außen sicher sein kann. Diamond selbst beispielsweise ist seit Jahren auch unter dem Namen Silvana Busoni als Zauberassistentin des Magiers Manuel Muerte unterwegs. Die Mobylettes haben in ihrem 27-jährigen Bestehen gerade einmal vier Alben veröffentlicht, die allesamt Herzensprojekte sind: „Girl Talk“ (1995), „Catch as Catch Can“ (1997), den Gershwin-Tribute „Kickin’ the Clouds Away“ (1998) und „Immer Schlimmer“ (2011). Vor der Veröffentlichung des vierten Albums hatte sich die Band also eine Schaffenspause gegönnt, die ganze dreizehn Jahre andauerte.
Der Titel dieses vierten Albums, veröffentlicht bei dem Label „tapete records“, spiegelt in seinem zunächst so simpel erscheinenden Wortspiel den schon zuvor bekannten Charme der Band wider. Es herrscht die einhellige Meinung, die Pause habe dem Reiz der Band keinerlei Abbruch getan, sondern ganz im Gegenteil: Es schien, als hätten die Mobylettes die Jahre genutzt, um ihren Stil immer weiter zu verfeinern und zu „frisieren“. Auch wenn sich beim Hören der Songs stellenweise stilistische Parallelen zu Carole King oder Phil Spector aufzutun scheinen, sind doch alle Songs der Mobylettes für sich genommen ganz eigen – Originale eben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen