Kraftprobe der besonderen Art

EMPORKÖMMLING Der VfL Wolfsburg bezwingt im Spitzenspiel den 1. FFC Frankfurt mit 4:2 und ist dabei, die etablierten Kräfte des deutschen Frauenfußballs hinter sich zu lassen

„Wir richten uns nicht nach unseren Gegnern“

WOLFBURGS TRAINER RALF KELLERMANN

AUS WOLFSBURG CHRISTIAN OTTO

Die Frage, ob denn eigentlich die Bundestrainerin im Stadion war, ließ sich schnell beantworten. Eine fleißige Helferin drehte einfach eine Runde, sah sich im weiten, aber spärlich besuchten Rund um und schüttelte enttäuscht den Kopf. Auch damit müssen die besten deutschen Fußballfrauen leben. Obwohl im Bundesligaduell zwischen dem VfL Wolfsburg und dem 1. FFC Frankfurt insgesamt 14 Nationalspielerinnen am Ball waren, fehlte sogar Silvia Neid. Die Bundestrainerin hätte einen hart erkämpften 4:2 (3:2)-Heimsieg für den Tabellenzweiten Wolfsburg miterleben können. Martina Müller (10. Minute), Zsanett Jakabfi (29.), Nadine Keßler (42.) und Alexandra Popp (90.) trafen für den Sieger, Bianca Schmidt (3.) und Sandrine Betigny (34.) für Frankfurt. Wie so häufig: Es wurde wirklich gute Werbung für eine Liga gemacht, die bundesweit nur selten Beachtung findet und vom langen Schatten der Bundesliga-Männer überlagert wird.

Das Heimspiel des Emporkömmlings gegen den siebenfachen deutschen Meister aus Frankfurt war eine Kraftprobe der besonderen Art. Die Liga staunt über ein aufbegehrendes Team des VfL Wolfsburg, das bis gestern in sechs Partien noch kein Gegentor kassiert hatte, in der Champions League bereits das Viertelfinale erreicht hat und den etablierten Titelkandidaten den Rang abläuft. „Wir richten uns nicht nach unseren Gegnern“, sagt VfL-Trainer Ralf Kellermann voller Selbstvertrauen. Der frühere Profitorhüter führt eine Mannschaft an, die immer mehr aktuelle Nationalspielerinnen gut finden, weshalb sie ihren Lebensmittelpunkt an den Mittellandkanal verlegen. Kellermann betont, und dieser Satz kommt auch bei den benachbarten VfL-Männern häufig zum Einsatz, dass sein Klub nicht mit dem Geldkoffer durchs Land zieht. Aber es fällt schwer, zu glauben, dass deutsche Elitekickerinnen wie „Alex“ Popp, die gegen Frankfurt wegen einer Verletzung erst spät eingewechselt wurde, und Luisa Wensing nur der sportlichen Perspektive wegen nach Wolfsburg gewechselt sind.

Bei dem Vorhaben, den Frauenfußball und die Bundesliga möglichst gut in Szene zu setzen, arbeiten die Entscheider beim VfL Wolfsburg zielstrebig. Das gestrige Spitzenspiel gegen Frankfurt war bereits um 13 Uhr angepfiffen worden. Wer mochte, konnte erst im Stadion am Elsterweg mitjubeln, um dann zum Heimspiel der VfL-Männer (15.30 Uhr) gegen Bayer Leverkusen in die benachbarte Arena weiterzuziehen. Es fanden sich leider nur 1.493 Menschen, die Lust auf diesen sportiven Sonntagsspaziergang zwischen zwei Stadien und zwei Fußballwelten hatten. „Frauenfußball ist besser als man(n) denkt“, stand auf einem grün-weißen Transparent, das auf der Gegentribüne des einst wichtigsten Wolfsburger Fußballstadions aufgehängt war. Seitdem die Männer am Elsterweg aus- und die Frauen eingezogen sind, geht es dort recht beschaulich zu. Trotzdem entsteht bis 2014 im Allerpark sogar noch ein neues Stadion, in dem die männlichen Amateure und die mittlerweile auch international erfolgreichen Frauen des VfL Wolfsburg ihre Heimat finden.

Der Frauenfußball, daran hat die im Vorjahr in Deutschland ausgerichtete Weltmeisterschaft wenig ändern können, bietet hierzulande immer noch keine Chance auf Vollzeitbeschäftigung in kurzen Hosen. Auch die Mehrheit der Wolfsburger Spielerinnen muss sich auf den Spagat zwischen Ausbildung oder Beruf und Leistungssport einlassen. Die rine arbeitet bei VW als Bürokauffrau, die andere als Tierpflegerin. Dass der Volkswagen-Konzern, der die VfL Wolfsburg Fußball GmbH finanziert und seit 2003 auch das Frauenteam der Niedersachsen fördert, keine Spielerin in die Arbeitslosigkeit entgleiten lässt, liegt auf der Hand. Aber in den Status eines gut verdienenden Profis wird eben auch keine Spielerin gehievt. Der Neid und die Missgunst beim Rest der Liga halten sich deshalb in Grenzen. Konkurrenz, so sieht es Siegfried Dietrich in seiner Rolle als Manager des bisherigen Seriensiegers 1. FFC Frankfurt, belebt für alle das Geschäft. Es muss sich eben nur noch weiter herumsprechen, dass der VfL Wolfsburg auf dem allerbesten Wege ist, die etablierten Klubs rechts zu überholen.