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Freitod mit Anleitung

Der umstrittene Schweizer Sterbehilfeverein Dignitas gründet in Hannover seine erste deutsche Filiale, damit „die Autonomie des Willens gewahrt bleibt“. Die Kirche mahnt, die Justiz ist alarmiert

von Kai Schöneberg

Im Streit ums würdige Ende hat Ludwig A. Minelli ein hohes Ziel: „Wir wollen die deutsche Debatte ändern“, sagt der Züricher Rechtsanwalt und Generalsekretär von Dignitas. Der Sterbehilfeverein hat in den sieben Jahren seines Bestehens 453 Menschen beim letzten Gang begleitet – und dabei mit der Beschaffung des hoch dosierten Schlafmittels Natrium-Pentobarbital nachgeholfen. Damit „die Autonomie des Willens gewahrt bleibt“, will Minelli am Montag seine erste deutsche Filiale in Hannover eröffnen. Niemand soll mehr zu ihm in die Schweiz kommen müssen, „um sein Leben mittels eines Freitods in Würde beenden zu können.“

Zunächst soll die Geschäftsstelle von Dignitas Deutschland, laut Minelli, „nur Mitglieder betreuen“. Dennoch hat die Nachricht, Hannover könnte zum „Sterbezentrum“ werden, wenig Zustimmung gebracht. „Das erfüllt uns mit Sorge. Aber wir gehen erst mal in Lauerstellung und warten ab“, sagt Jutta Dahlmann aus dem Justizministerium. Die evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann griff Dignitas frontal an. Dem Verein gehe es vor allem um „schnelles, effektives Sterben“ anstatt darum, dass „sterbenskranke Menschen in Würde“ scheiden könnten.

„Frau Käßmann hat keine Ahnung“, wettert Minelli. „Was tut denn die Kirche gegen die 600.000 Suizidversuche, die es jährlich in Deutschland gibt?“ Er streitet für seine deutschen Anhänger – immerhin ein Drittel der insgesamt 4.800 Dignitas-Mitglieder kommt aus Deutschland. Gegen eine Aufnahmegebühr von 76 Euro und einen Jahresbeitrag von 38 Euro will der Verein bei der Suizid-Vorbereitung und -Begleitung zur Seite stehen. Die Kosten für Arzt und Medikament in Höhe von 335 Euro werden zwar übernommen. Dennoch werfen viele der Sterbehilfe-Organisation Geldschneiderei vor.

In Deutschland ist die passive Sterbehilfe mit Zustimmung des Patienten etwa durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen erlaubt, indirekte oder direkte Sterbehilfe jedoch verboten. Die Schweiz ist liberaler: Die direkte Beihilfe zum Suizid bei unheilbaren Krankheiten, großen Schmerzen oder Behinderungen ist möglich. Dignitas ist die größte Organisation dieser Art in der Schweiz.

Darin, dass Minelli auch psychisch Kranken zum Sterben verhilft, liegt für Elke Simon von der Deutschen Hospizstiftung eine der „Grauzonen“. Die Diagnose bei psychisch Kranken sei nie abschließend. Simon: „Ihnen kann oft noch geholfen werden“. Auch schwer Krebskranke hätten heute mit Hilfe schmerzmildernder Medizin „eine gute Chance“ auf ein lebenswertes Ende, betont Simon. Wichtig ist ihr auch, dass viele Menschen noch vor dem Tod „erreicht werden können, wenn man ihnen nur die Angst nimmt“, etwa durch sterbebegleitende Hospize.

Auch in der Schweiz ist Minelli in der Kritik. Vom „Sterbetourismus“ ist die Rede, weil allein 253 Deutsche schon mit Hilfe von Dignitas in den Freitod gingen. Wegen rechtlicher Probleme in Zürich hatte der Verein so genannte „Sterbezimmer“ in anderen Ortschaften einrichten müssen.

In Deutschland will der Verein vorerst keine derartigen Räumlichkeiten anmieten, betont Minelli. „Meistens kommen wir ohnehin nach Hause.“ Er will vielmehr erreichen, dass deutsche Ärzte endlich „ausreichende“ Dosen von Natrium-Pentobarbital verabreichen können. Minelli: „Wir werden den Zugang zu diesem Mittel vor Gericht erstreiten. Ein Verfahren vor einem Verwaltungsgericht läuft schon“.

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