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SPD nach der NRW-WahlVerspielt

Die Genossen verlieren die Macht in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen. Hannelore Kraft erklärt den Rücktritt von ihren Parteiämtern.

Die Verliererin am Wahlabend Foto: ap

Düsseldorf taz | Schock, Entsetzen, Trauer: all das ist in den Gesichtern der Sozialdemokraten zu sehen, die am Sonntagabend zur SPD-Wahlparty in die Düsseldorfer Szene-Location Quartier Bohème gekommen sind. Dass es eng werden würde, war klar – aber mit einem solchen Wahldebakel hat kaum einer der mehreren Hundert Genossinnen und Genossen gerechnet.

Ungläubig und niedergeschla­gen starren sie auf die Bildschirme. Mit 31,1 Prozent hat die Partei von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft laut WDR-Hochrechnung von 19.26 Uhr das schlechteste Ergebnis erzielt, das die SPD jemals in Nordrhein-Westfalen eingefahren hat. Damit liegt die Partei in ihrem Stammland miserable 2,6 Prozentpunkte hinter der CDU des Kraft-Herausforderers Armin Laschet. Fünf Jahre zuvor hatte die SPD die NRW-Wahl mit 39,1 Prozent noch strahlend gewonnen.

Hannelore Kraft trat nach den ersten Hochrechnungen 18 Minuten nach 18 Uhr vor ihre GenossInnen. „Es hat nicht gereicht“, sagte sie mehrmals – fast so, als könne sie ihre Niederlage selbst nicht fassen. Sie selbst habe gegenüber der Bundespartei durchgesetzt, den Wahlkampf auf Landespolitik zu konzentrieren: „Dies ist klar zu unseren Ungunsten ausgegangen“, bilanzierte sie – und zog schnell Konsequenzen.

Um 18.21 Uhr trat Kraft als SPD-Landesvorsitzende zurück, „damit die NRW-SPD die Chance auf einen Neuanfang hat“. Gleichzeitig legte sie den stellvertretenden SPD-Bundesvorsitz nieder. Als mögliche Nachfolger Krafts im Amt des Landeschefs gelten Finanzminister Norbert Walter-Borjans und Verkehrsminister Michael „Mike“ Groschek.

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Dabei hatte noch zwei Wochen zuvor alles auf einen Sieg der Frau aus Mülheim an der Ruhr hingedeutet: Seit 2010 hat die 55-Jährige das bevölkerungsreichste Bundesland mit seinen knapp 18 Millionen Menschen zusammen mit den Grünen regiert. Und noch Ende ­April lagen ihre Sozialdemokraten in Umfragen bei 35 bis 36, Laschets Christdemokraten dagegen bei nur 27 bis 29 Prozent. Zwar ging es für die GenossInnen danach kontinuierlich abwärts – aber erst drei Tage vor der Wahl sahen Meinungsforscher erstmals in diesem Jahr die CDU vorn.

Bei den WählerInnen durchgesetzt hat sich damit die Erzählung von NRW als „Failed State“, die Laschet und FDP-Chef Christian Lindner seit Monaten gepredigt hatten: Wirtschaftlich sei das größte Bundesland zumindest Schlusslicht aller westdeutschen Bundesländer, leide unter geringem Wirtschaftswachstum und hohen Arbeitslosen- und Armutsquoten.

Zwar versuchte Kraft zu kontern: Um 1,8 Prozent sei die NRW-Wirtschaft 2015 gewachsen und liege nur knapp unter dem Bundesschnitt von 1,9 Prozent. Durchdringen konnte die Nochministerpräsidentin damit offensichtlich aber nicht. Wahlentscheidend dürften für viele BürgerInnen dagegen das Gefühl mangelnder innerer Sicherheit und die marode Infrastruktur von Straßen, Schienen und Schulen gewesen sein.

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Damit sind die Hauptgründe für die Verluste der nordrhein-westfälischen SPD hausgemacht. Trotzdem hielt Kraft über Jahre an ihrem umstrittenen Innenminister Ralf Jäger fest – dabei steht der Sozialdemokrat nicht nur wegen der sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015/16 massiv in der Kritik. Auch für Pannen bei der Überwachung des Attentäters auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, Anis Amri, dürften Jägers Beamte zumindest mitverantwortlich sein.

Hinzu kamen strategische Fehler der Sozialdemokraten. Den zumindest anfänglich noch vorhandenen Hype um Kanzlerkandidat Martin Schulz nutzten sie nicht – im Wahlkampf schien es, als hätten die Genossen zwei unterschiedliche Kampagnen im Angebot: Ministerpräsidentin Kraft setzte auf die Erzählung von NRW als erfolgreichem Bundesland, das zumindest allen Leistungswilligen Jobs und Chancen biete.

SPD-Bundeschef Schulz inszenierte sich mit seiner vorsichtigen Kritik an der Agenda 2010 dagegen anfänglich als Anwalt der ökonomisch Schwachen, bot dann aber inhaltlich nichts Neues. Im Wahlkampf waren Kraft und Schulz deshalb kaum zusammen zu sehen – seit Anfang Mai traten sie nur ein einziges Mal zusammen auf. Auch dafür hat Hannelore Kraft mit ihrem Rücktritt die „persönliche Verantwortung“ übernommen.

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6 Kommentare

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  • Nur hat Frau Kraft mit ihrer kraftvollen Fehleinschätzung nicht nur sich und die SPD in NRW um alle Chancen gebracht, sie hat mit ihrem Eigensinn gepaart mit der mangenden Durchsetzungsfähigkeit und dem Zörgern und Zaudern von Martin Schulz seit der Wahl im Saarland, auch gleich seine und die Chancen der Bundes-SPD beerdigt. Einen glaubhaften Neuanfang aus der Regierung heraus zu verkünden, wäre ohnehin ein Husarenstück gewesen, jetzt ist es schon vorbei, bevor es mit dem Bundestagswahlkampf überhaupt losgegangen ist. Mehr Murks in einer Kampagne geht auch bei der SPD nun wirklich nicht mehr.

  • Das hat sich lange in NRW angekündigt. In den oberen Verwaltungsebenen haben schon vor einem Jahr (!) die Regierungsbeamten angefangen ihre Sachen zu packen. Und die Ursache für diese krachende Ohrfeige ist auch klar: Nach der Aufbruchsstimmung, die durch erfolgreiche zwei Jahre Minderheitsregierung ausgelöst worden war, hat sich die SPD wieder auf das Niveau der Clement-Regierung herabgelassen. Wieder gab sich die alte SPD der altem überkommenen sozialliberalen Romantik hin, blind dafür, dass es die FDP einer Hildegard Hamm-Brücher und eines Gerhard Baum nicht mehr gibt. Es tut schon weh, diese Entwicklung mitmachen zu müsssen. Dabei wäre die Lösung ebenso einfach wie unwahrscheinlich: Die SPD in NRW muss den neoliberalen Weg der Lebenslügen verlassen und sich auf ihren Namen zurückbesinnen: Sozialdemokratisch sein! Mehr braucht es nicht. Schon gar nicht ein billiges Plagiat der Parteien, die man wählt, weil man Neoliberalismus für alternativlos hält. ... und Schulz hat damit wenig zu tun.

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Bei aller Freude darüber, das die SPD nun endlich die Quittung bekommt, darf man vielleicht schon fragen, was sich die Wähler eigentlich dabei denken?

    In SH haben sie eine eigentlich erfolgreiche Regierung abgewählt, und wieder diejenigen ans Ruder gelassen, die das Blindengeld gestrichen haben und Hartz4 Empänger als "spätrömisch dekatent" verunglimpft haben. Möchte garnicht wissen, wie viele Hartz$ Empfänger selbst diese üble Kombi gewählt haben.

    Und dann wäre da schon noch zu hinterfragen, welche Rolle die Presse bei den Wahlen gespielt hat. Erst haben Sie Schulz hochgehypt, dann haben Sie ihn runtergeschrieben, und zwar ausnahmlos alle.

    Schade, das die Wähler so wenig eigenverantwortlich denken und wählen.

    • @64938 (Profil gelöscht):

      Schade, dass Sie den Wählerinnen und Wählern ihre Eigenverantwortung absprechen, nur weil Ihnen deren Kreuz auf dem Wahlzettel nicht gefällt.

       

      Das Verunglimpfen der jeweils Anderen beherrschen übrigens ausnahmslos alle Parteien perfekt. Die SPD nennt Abtrünnige nun Rechtsruck - selbst wenn der Wechsel zur Linken ging.

    • @64938 (Profil gelöscht):

      Also aus dem tiefsten des tiefen NRW, aus der direkten Klientel die eig. immer SPD gewählt hat zu Großteilen, kann ich das eigentlich recht leicht erklären.

       

      In NRW wurde eine Regierung die vielen Leuten als unfähig vorkam abgewählt. Kraft trat eig. nicht in Entscheidung, Jäger hat mindestens 2 Skandale pro Jahr produziert (Und gleichzeitig Blitzermarathon um Blitzermarathon promoted, dass mag dem ein oder anderen sinnvoll erscheinen aber gut macht es sich nicht), Löhrmann hat das Bildungssystem regelrecht fachmännisch zerlegt, wirtschaftlich bergauf geht's auch nicht etc. Da müssen Leute wie Lindner gar keine sooo tolle Alternative sein, die Leute wollten einfach , dass es aufhört.

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Bei aller Freude darüber, das die SPD nun endlich die Quittung bekommt, darf man vielleicht schon fragen, was sich die Wähler eigentlich dabei denken?

    In SH haben sie eine eigentlich erfolgreiche Regierung abgewählt, und wieder diejenigen ans Ruder gelassen, die das Blindengeld gestrichen haben und Hartz4 Empänger als "spätrömisch dekatent" verunglimpft haben. Möchte garnicht wissen, wie viele Hartz$ Empfänger selbst diese üble Kombi gewählt haben.

    Und dann wäre da schon noch zu hinterfragen, welche Rolle die Presse bei den Wahlen gespielt hat. Erst haben Sie Schulz hochgehypt, dann haben Sie ihn runtergeschrieben, und zwar ausnahmlos alle.

    Schade, das die Wähler so wenig eigenverantwortlich denken und wählen.