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OFF-KINO

Off-Kino

Lars Penning

Filme aus dem Archiv– frisch gesichtet

David Leans Monumental-Melodram „Doktor Schiwago“ war einer der größten Kassenschlager der 1960er-Jahre. Manche Kinos spielten ihn jahrelang, und der aus Ägypten stammende Hauptdarsteller Omar Sharif entwickelte sich auch im Westen zum Frauenschwarm. Vielleicht, weil sein Doktor Jurij Schiwago als romantischer Individualist und naiver Träumer so ganz und gar unheroisch daherkam: Während die Welt zur Zeit der Russischen Revolution in Trümmer fällt, treibt der Arzt und Schriftsteller willensschwach durch Ereignisse, die er nie mitbestimmen kann. „Doktor Schiwago“ ist ein klassisches Beispiel für Leans intime Spektakel: ein präzises Charakterporträt vor spektakulärem geschichtlichen Hintergrund, mit gewaltigen Kulissen und eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen des in Finnland gedrehten „russischen“ Winters. Und natürlich ist es auch Kitsch: mit manchmal aufdringlichem Symbolismus und dem eingängigen Balalaika-Leitthema von Maurice Jarre. Aber auch das machte den Erfolg aus (23. 5., 18 Uhr, Filmmuseum Potsdam).

Familiengeschichten über Nähe, Zurückweisung und Verantwortung sind das Terrain des 54-jährigen amerikanischen Autors und Regisseurs Kenneth Lonergan. Mit erheblichem Understatement, Detailgenauigkeit und in epischer Länge erzählt Lonergan in „Manchester by the Sea“ die Geschichte des Hausmeisters Lee Chandler (Casey Affleck), der nach Jahren in seine Heimatstadt zurückkehrt, weil ihn sein verstorbener Bruder zum Vormund des 15-jährigen Neffen Patrick bestimmt hat. Und die Probleme dort beschränken sich nicht nur auf die Launen eines pubertierenden Teenagers, er selbst fühlt sich noch immer schuldig an einem tragischen Unglück. Sorgfältig werden Konflikte etabliert und Stimmungen aufgebaut, wobei ein hintergründig-trockener Humor der Geschichte eine weitere schöne Dimension verleiht (19. 5., 21.30 Uhr, Freiluftkino Friedrichshain).

Obwohl Karl Valentin auch ein bedeutender Stummfilmpionier war, entfaltete sich sein Humor erst so richtig im Tonfilm. Dabei geht es im Wesentlichen um eine strenge Logik, welche die Dinge stets wortwörtlich nimmt: „Wie kann ich mit zwei Billets allein ins Theater gehen?“, fragt er sich da beispielsweise in „Der Theaterbesuch“ (Regie: Joe Stöckel). Der Sketch um die geschenkten Theaterkarten gehört zu den schönsten Stücken des Komikers und seiner Frau Liesl Karlstadt, die in dem absurden Ehe-Dramolett mit grausamem Humor bürgerliche Konventionen komplett ad absurdum führen (Der Theaterbesuch und andere Filme, 18. 5., 19.30 Uhr, Arsenal 2).

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