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Vereint für Afrika

Protest Pop aus der „Dritten Welt“ galt lange als Vehikel für eine gute Sache. Vor der Politik gibt es bis heute kein Entkommen

Sound der Solidarität: Harry Belafonte und Miriam Makeba auf ihrem Album von 1965 Foto: Redferns/getty images

Von Daniel Bax

Anfang der 1960er-Jahre stellte der amerikanische Sänger und Schauspieler Harry Belafonte seinen Fans eine junge Sängerin aus Südafrika vor. Dessen Regierung hatte ihr den Pass entzogen, als sie sich im Ausland aufhielt, und verweigerte ihr die Rückkehr. Diese Ausbürgerung trug ungewollt dazu bei, dass Miriam Makeba zu einer Ikone der Anti-Apartheid-Bewegung aufsteigen konnte, deren Stimme weltweit gehört wurde.

Harry Belafonte und Miriam Makeba brachten dem amerikanischen Publikum nicht nur die Musik, sondern auch das schwere Los der schwarzen Bevölkerung unter dem Apartheidregime in Südafrika nahe. Auf ihrem Album „An Evening with Belafonte / Makeba“ von 1965 sangen die beiden traditionelle Weisen aus Südafrika, dezent von Gitarre und Harmonica, Bongos und Schlagzeug umrahmt. Die Lieder über junge Männer, die sich in den Minen verdingen müssen, oder Warnungen von Müttern an ihre Kinder, sich vor der Polizei zu verstecken, enthielten sozialkritische Botschaften und politische Forderungen.

Belafonte war einer der Stars der US-Bürgerrechtsbewegung und stritt an der Seite von Martin Luther King für die rechtliche Gleichstellung der schwarzen Bürger – vor allem in den Südstaaten, wo die Politik der Rassentrennung ungeniert fort lebte. Sein „Calypso“-Album von 1956 war das erste Album eines Solo-Künstlers gewesen, das sich über eine Million Male verkaufte. Sein Album mit Makeba traf den Nerv jener Zeit, denn in den 1960ern setzte die Ära der Protestmusik ein. Der Vietnamkrieg politisierte die Musikszene nicht nur in den USA, und der Slogan von der „Solidarität der Völker“ suchte eine musikalische Entsprechung.

In Südamerika entstand aus spanischen Liedtraditionen und indigenen Einflüssen der Nueva canción. Die Tradition der payadores, der ländlichen Straßenpoeten, und die Instrumente der Anden-Folklore wie Panflöten, Bambusflöten und Charango wurden von jungen Musikern mit sozialkritischen bis revolutionären Texten kombiniert. In Argentinien rückte die Sängerin Mercedes Sosa (1935–2009) die Folklorestile des Landes ins Rampenlicht und setzte sich, im Poncho gekleidet, für die Rechte der indigenen Landbevölkerung ein. Auf der seit der Revolution von 1959 kommunistischen Karibikinsel Kuba avancierten Künstler wie Pablo Milanes und Silvio Rodriguez zu Botschaftern der neuen Zeit, die ihre Lieder bald auch den Kämpfen in Chile, Angola, Nicaragua und El Salvador oder dem Nationalhelden José Martí widmen sollten.

Musik und Politik waren und sind in Lateinamerika seit jeher eng verschränkt. Denn aus Angst davor, dass sich die kubanische Revolution auf dem gesamten Kontinent ausbreiten und fortsetzen könnte, unterstützten die USA in Südamerika konservative Regierungen und repressive Diktaturen. Als Gegenbewegung florierte dort vielerorts ein linker Nationalismus und Antiimperialismus, der mit einer verstärkten Suche nach eigener kultureller Identität einherging, was sich auch in der Musik spiegelte.

Ein Festival von zentraler Bedeutung fand im Juli 1969 im Estadio Nacional in Santiago de Chile statt. Dutzende von Musikern warben dort für die Wahl des Sozialisten Salvador Allende. Als Gewinner eines Wettbewerbs ging der 31-jährige Sänger Víctor Jara hervor, ein Sohn von Landarbeitern, der sozialkritische und volkstümliche Folk-Balladen mit Elementen der chilenischen Folklore verband.

Als Allende 1970 die Wahl gewann, trat er unter einem Banner mit dem Slogan „Es kann keine Revolution geben ohne Lieder“ auf – umringt von Musikern, die ihn unterstützt hatten. Nachdem am 11. September 1973 das Militär gegen Allende putschte, wurden viele seiner Anhänger verhaftet und im Estadio Nacional interniert. Unter ihnen war auch Víctor Jara, dem Soldaten die Hände brachen, bevor er ermordet wurde. Das Regime des Generals Pinochet ließ sogar Instrumente der andinen Folklore wie die Charango verbieten. Bekannte chilenische Polit-Folk-Bands wie Inti-Illimani und Quilapayún waren 1973 auf Europa-Tour, als das Militär putschte, und blieben im Ausland. Mercedes Sosa wurde, nachdem sich das Militär 1978 in Argentinien an die Macht putschte, ins Exil getrieben, wo sie bis 1982 blieb. Gemeinsam führten sie die Solidaritätsbewegung für Lateinamerikas Linke an und machten die Lieder, die in ihren Ländern verboten waren, populär.

Auch die Militärdiktatur in Griechenland (1967–1974) und der Militärputsch von 1980 in der Türkei hatten einen ähnlichen Effekt: Sie trieben oppositionelle Künstler wie Mikis Theodorakis, Maria Farantouri oder Zülfü Livaneli ins Ausland, wo sie als Symbolfiguren des Widerstands gefeiert wurden.

In Lateinamerika sind Musik und Politik seit jeher eng verschränkt

Es ist ein Verdienst der Marketingbezeichnung „Weltmusik“, dass sie mit der Wahrnehmung von Künstlern aus Ländern der „Dritten Welt“ ausschließlich als Botschafter einer guten Sache und der Vereinnahmung regionaler Musikstile zu politischen Zwecken gebrochen hat. Statt in der Musik aus fernen Regionen lediglich ein Vehikel für eine abstrakte „Dritte-Welt-Solidarität“ zu sehen, ließ sie diese für sich selbst sprechen und erlaubte es dem Publikum, einen neuen Blick auf sie zu werfen.

Doch auch wenn Ästhetik vor Politik ging, blieb die Musik oft genug immanent politisch. Das musste etwa Paul Simon erkennen, als er sich für sein Album „Graceland“ mit schwarzen Musikern aus dem Apartheidstaat Südafrika zusammen arbeitete.

Auch wenn er sich damit die Wut mancher Apartheidgegner zuzog, die für einen kompletten Boykott des Apartheidstaats eintraten: Gerade diese von reiner musikalischer Neugier getriebene Kooperation eines bekannten Popstars aus den USA mit traditionellen Zulu-Chören und Township-Musikern aus Südafrika führte aller Welt einmal mehr eindringlich die Ungerechtigkeit und Absurdität des südafrikanischen Systems der Rassentrennung vor Augen.

Auf seinem Album wie auf seinen Tourneen ließ sich Paul Simon von Stars der Anti-Apartheid-Bewegung wie Miriam Makeba und dem Trompeter Hugh Masekela begleiten. Vor der Politik gab es kein Entkommen, auch wenn sie nicht den ersten Platz einnehmen sollte.

Auszug aus: Leggewie, Claus und Meyer, Erik (Hg.): „Global Pop. Das Buch zur Weltmusik“. Stuttgart 2017, 29,95 Euro

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