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Subversives kommt aus den Wolken

NS-Kino Das Symposium „Das Ufa-Imperium 1933 bis 1945“ im Filmmuseum und die Reihe „Linientreu und populär“ im Arsenal

Fritz Lang wird von Goebbels „die Führerschaft im deutschen Film“ angetragen. Fritz Lang fühlt sich „sehr geehrt“ und verlässt Deutschland noch in derselben Nacht.

Eine Geschichte, deren dramatische Zuspitzung zwar nur Legende ist, aber bezeichnend für die Lage der Künstler nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Die einzigartige Kultur der Weimarer Republik wurde zerstört. Hunderte von Drehbuchautoren, Produzenten, Regisseuren, Schauspielern und Technikern bereicherten fortan das amerikanische Kino.

Die Nazis wollten die wirtschaftliche, technische und ästhetische Professionalität der Filmschaffenden eigentlich nicht zerschlagen, sondern für ihre Interessen fruchtbar machen. Sie sahen in der Massenware Film das Medium, mit dem man den größten Einfluss auf das Volk gewinnen konnte. Dafür erkannte man sogar Werke des ideologischen Feindes wie „Panzerkreuzer Potemkin“ als Vorbild an; dem Hollywood-Musical eiferten die Operettenfilme mit Marika Rökk nach, Hans Albers wurde als der deutsche Gary Cooper aufgebaut. Eigene Großproduktionen wie „Die Nibelungen“ und „Metropolis“ standen hoch im Kurs. Dagegen durfte „Das Testament des Dr. Mabuse“ schon nicht mehr aufgeführt werden.

Als größte Produktionsfirma stand die Ufa bereit. 1917 gegründet, eröffnete sie zwei Jahre später den Berliner Zoopalast mit Lubitschs „Madame Dubarry“, baute eine eigene Kinokette auf und erwarb das Studiogelände in Neubabelsberg. Alfred Hugenberg flößte der Firma die nötigen finanziellen Mittel und die passende nationalistische Ausrichtung ein.

100 Jahre Ufa: Mit der Geschichte des Unternehmens beschäftigt sich ab heute das Filmmuseum. „Das Ufa-Imperium 1933 bis 1945“ mit den monumentalen Architekturplänen für die „Filmstadt Babelsberg“ und die Nachkriegsjahre mit der „Entflechtung“ durch die Alliierten, der dubiosen Entwicklung in der frühen Bundesrepublik und dem „Erbe“ bei der Murnau-Stiftung sind die Hauptthemen eines Symposiums.

Abgesehen von reinen Propaganda- und Hetzfilmen wie „Hitlerjunge Quex“ (1933) oder „Jud Süß“ (1940) sollte der Zuschauer im Kino der NS-Zeit zwar immer auch auf die Parteilinie eingeschworen werden, aber möglichst auf unbewusste Weise, indem ihm zugleich populäre Unterhaltung geboten wurde.

Die Zensur unterlaufen

So gibt es denn unter dem Motto „Linientreu und populär“ auch eine kleine Reihe mit Ufa-Filmen, in denen es zwischen den beiden Sphären durchaus überraschende Überblendungen, Unschärfen, Zweideutigkeiten zu entdecken gibt, mit denen die Zensur unterlaufen wurde.

In „Amphitryon“ (Regie: Reinhold Schünzel, 1935) etwa ist die ganze Architektur des Olymp so ins Heroische übertrieben, dass sie sich selbst parodiert. In der komödiantischen Entzauberung der Götter, im Sieg des Privaten über das Pathos, deutet sich ein heimlicher Widerspruch gegen die nationalsozialistische Kulturproduktion an. Schon der Untertitel „Aus den Wolken kommt das Glück“ sowie der Jubel der Massen über ihre siegreichen Truppen am Ende sind subversive Anspielungen auf Riefenstahls „Triumph des Willens“ aus dem gleichen Jahr.

Für solche ironischen Reflexe gibt es keinen Raum mehr in dem zu Kriegszeiten gedrehten Film „Die große Liebe“ (Regie: Rolf Hansen, 1942). Er verbindet die Aura des internationalen Revue-Stars Zarah Leander mit dem deutschen Kriegsalltag, die Kriegshandlung dominiert die Love Story, immer wieder verhindert der Einsatz an der Front die Erfüllung der Liebe.

Die populären Schlager wurden als Durchhalteparole eingesetzt, wenn auch manch ein Zuschauer in der Hoffnung auf ein Leben nach dem „Tausendjährigen Reich“ mitgesummt haben mag: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n.“

Helmut Merker

„Das Ufa-Imperium 1933 bis 1945“, 11.-12. 5., Deutsche Kinemathek; Linientreu und Populär“, 11.-14. 5., Kino Arsena

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