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US-Experte zu Trumps Nordkoreapolitik„Gespräche wären das Beste“

Lawrence Wilkerson war Stabschef unter Außenminister Colin Powell. Er beschreibt, welche Strategie in Trumps Nordkoreapolitik sinnvoll wäre.

Kräftemessen: Nordkoreaner anlässlich der Feierlichkeiten zum 1. Mai 2017 in Pjöngjang Foto: ap
Dorothea Hahn
Interview von Dorothea Hahn

taz: Herr Wilkerson, US-Präsident Trump spricht von der Möglichkeit eines „großen, großen Konflikts“ mit Nordkorea, und Rex Tillerson hat nun auch den Vereinten Natio­nen erklärt, die „strategische Geduld“ der USA sei vorüber. Sie sind mit der Nordkorea-Politik vertraut. Wie verstehen Sie, was Sie jetzt hören?

Lawrence Wilkerson: Die einzig vernünftige Erklärung ist Trumps’ Erfahrung als Immobilientycoon, der mit milliardenschweren Einsätzen Poker spielt. Diese Politik des äußersten Risikos überträgt er auf internationale Beziehungen. Es begann damit, dass er mit der „Ein-China-Politik“ brach und Taiwan anerkennen wollte, dann aber wieder davon abwich. Als Nächstes warf er China vor, seine Währung zu manipulieren. Auch davon nahm er wieder Abstand. Trump zeigte Präsident Xi Jinping, dass er jederzeit ein sehr unangenehmer Partner sein kann. Als er dann von Xi mehr Druck auf Nordkorea verlangte, sah Xi ein, dass er sich besser daran hält – oder zumindest so tun sollte, als wolle er sich daran halten.

Was die chinesische Regierung jetzt zu UN-Sanktionen und Nordkorea sagt, klingt, als gäbe es eine gewisse Annäherung zwischen Washington und Peking. Bedeutet das, Trumps Poker funktioniert?

Das kann sehr wohl der Fall sein. Aber meine Sorge ist, dass die letzte Person, die das in großem Stil gemacht hat und damit Erfolg hatte, Adolf Hitler war.

Wer sollte Trump entgegentreten?

Als Erstes das amerikanische Volk. Ich glaube, dort vereinen sich Kräfte, die ihm Probleme bereiten könnten. Die Opposition wird ihn erheblich bremsen. Seine Innenpolitik ist ja auch nicht besser. Die 26 Prozent der Wahlberechtigten, die für ihn gestimmt haben – es gab nur 55 Prozent Wahlbeteiligung –, werden bald sehr enttäuscht sein, wenn sie nichts von dem bekommen, was er versprochen hat. Außerdem gibt es viele Länder, die der Politik des äußersten Risikos bald überdrüssig sein werden. Früher oder später werden sie ihn bremsen.

Welche Folgen hat das aktuelle Drama zwischen Washington und Pjöngjang für die japanische Atompolitik?

Schon als ich in der Regierung von George W. Bush war, gab es eine Denkschule unter Konservativen, die die Wiederbewaffnung von Japan wollte. Es soll, wie diese Leute es nennen, eine „normale Nation“ werden. Einige wollen auch, dass Japan eigene Atomwaffen bekommt. Diese Leute sind begeistert von der Perspektive, dass sich Japan im internationale Waffenmarkt engagiert. Sie wollen, dass Japan ein vollwertiger Partner der USA wird, und haben dabei auch das Ziel der Lastenteilung im Pazifik im Umgang mit China im Sinn. Das ist ein gefährliches Spiel. Japan ist mit seiner Verfassung, seinen Verteidigungskräften und seiner philosophischen Opposition gegen Krieg ziemlich gut gefahren. Sollten wir dieser US-Denkschule folgen, machen wir ein weiteres Land zu einer Atommacht und vergrößern das Konfliktpotenzial in Nordostasien.

Im Interview: Lawrence Wilkerson

Der 71-Jährige war Oberst der US-Streitkräfte und diente unter anderem in Südkorea und Japan. Er war der Stabschef von George W. Bushs Außenminister Colin ­Powell. Nach 2003 hat er zahlreiche Aspekte des Irakkriegs kritisiert, inklusive seiner eigenen Mitarbeit an Powells legendärer Rede vor den Vereinten Nationen, in der dieser dem Irak den Besitz von Chemiewaffen vorwarf. Heute lehrt Wilkerson an der William-&-Mary-Universität in Virginia und an der George-Washington-Universität nationale Sicherheitspolitik.

Premierminister Shinzō Abe war einer der ersten Gäste von Trump.

Premierminister Abe glaubt, dass Trump seine eigenen Wünsche in Japan unterstützt. Er vertraut Trump nicht vollends. Aber Trump liefert ihm Argumente, wenn sich die Japaner dagegen aussprechen, ihr Land stärker zu bewaffnen.

Der Krieg gegen den Terror ist in den ersten 100 Tagen Donald Trumps wieder zur Normalität geworden und hat die Außenpolitik ersetzt. Sind die Neokonservativen aus der Bush-Regierung wieder an der Macht?

Damals bestimmten die Neokonservativen die Regierung. Die gegenwärtige Regierung hört zwar auf die Neokonservativen – aber sie sind noch nicht so einflussreich wie unter Bush. Und in gewisser Hinsicht sind sie genauso verwirrt wie wir anderen, wenn sie herauszufinden versuchen, wo Trump gerade steht.

Können Sie Beispiele für deren Einfluss nennen?

Sie haben wachsenden Einfluss auf die Iranpolitik der USA, wo sie das Atomabkommen beenden, einen Krieg und einen Regimewechsel wollen. Aber ihr Einfluss ist nicht universell. In Syrien ist Trump nicht auf ihrer Seite. Sie wollten unbedingt, dass Trump in großem Umfang Bodentruppen nach Syrien schickt. Er hat bisher ein Mal US-Raketen abfeuern lassen, aber momentan sieht es nicht danach aus, als ob er sehr viel mehr tun wollte. Abgesehen von zusätzlichen Bodentruppen, die den Kurden und anderen Alliierten helfen sollen.

Im Wahlkampf hat Trump Regimewechsel abgelehnt. Aber jetzt spricht sich sein Außenminister für einen Regimewechsel im Iran aus und versichert gleichzeitig Pjöngjang, dass er dort keinen solchen Wechsel anstrebe. Wo ist die Linie?

Ich glaube, dass weder Rex Tillerson noch Trump wissen, welche Rolle Rhetorik in Sachen Diplomatie und Außenpolitik bedeutet. Sie sind Amateure.

Zudem kommen aus der Trump-Regierung widersprüchliche Stimmen zu den heiklen Schauplätzen. Ist das Strategie?

Es mag von Vorteil für die USA sein, eine gewisse Verwirrung in Pjöngjang, Teheran oder Damaskus zu stiften. Aber die Unfähigkeit, mit einer Stimme zu sprechen, sowie die inkohärente Außenpolitik über die gesamte Breite beunruhigen mich.

Kann eine Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel – das erklärte Ziel von Tillerson – im Interesse von Pjöngjang sein?

Ich glaube nicht, dass wir Nordkorea dazu bringen, seine Atomwaffen aufzugeben. Es ist eine Atommacht, das ist Tatsache. Abgesehen von einem Kollaps des Regimes und einer Wiedervereinigung, von der wir derzeit nicht einmal träumen können, wäre es das Beste, miteinander zu sprechen. Es wären Gespräche auf der Basis, dass Nordkorea keine zusätzlichen Atombomben bauen und die behalten wird, die es schon hat. Auch zusätzliche Interkontinentalraketen werden nicht gebaut, die bisherigen werden in das Raketenkontrollregime integriert. Im Gegenzug könnten wir wie die Bush-Regierung nach 2002 Zugeständnisse im Bereich von Energie und Handel anbieten. Verhandlungen würden zu einem wohlhabenderen und stabileren Nordkorea führen, das toleranter gegenüber Südkorea und Japan ist, aber weiter Atomwaffen hat. Das ist das Beste, was wir erreichen können.

Wer sollte denn mit Nordkorea verhandeln?

Kim Jong Un möchte dringend bilaterale Gespräche – mit niemand anderem als den USA. Das ist es, was die Kim-Dynastie seit 1953 will. Wenn Trump zu Pjöngjang sagen würde, ich komme, lasst uns reden – das würde sie total überraschen. Ich würde darauf bestehen, dass die Gespräche Südkorea einbeziehen. Und ich würde die Anreize für Pjöngjang so attraktiv machen, dass sie das vielleicht akzeptieren. Man könnte die Sonderwirtschaftszonen wieder öffnen und zusätzliche schaffen, sie waren während der „Sonnenscheinpolitik“ von 1998 bis 2008 sehr erfolgreich, als wir auf Wiedervereinigung gehofft haben. Ich würde auf jeden Fall Südkorea und vielleicht die Europäische Union einbeziehen, bin aber nicht sicher, ob ich China und Russland gleich dazuholen würde. Je mehr Leute um den Tisch sitzen, desto schwieriger werden die Verhandlungen.

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1 Kommentar

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  • Ehrlich gesagt hätte ich durchaus Angst Trumps Delittantenstadl zu Gesprächen mit Nordkorea zu schicken.

    Was soll dabei herauskommen? Entweder man eskaliert die Lage noch weiter ohne diese Amateure lassen sich von Nordkorea über den Tisch ziehen.

    Amerika ist in den nächsten 4 Jahren schlicht nicht in der Lage besonnene Außenpolitik zu machen.