kommentar von Kai von Appenüber die Abschottung der Strafgerichte: Der Öffentlichkeitzuwider
Vor Strafgerichten werden über Vergehen von BürgerInnen verhandelt und „im Namen des Volkes“ eben über diese Urteile gesprochen. Deshalb gilt zu Recht der Grundsatz der Öffentlichkeit, damit Gerichtsverhandlungen für die Allgemeinheit zugänglich sind. Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist ein hohes Gut, und wenn es verletzt wird, ist dies ein absoluter Revisionsgrund.
Selbst der grüne Justizsenator Till Steffen betonte gestern, dass Gerichte als offene Häuser für jeden zugänglich sein müssen, da sie wichtige Institutionen des Rechtsstaats seien. Ein zugängliches Gericht stehe für Transparenz und Offenheit und sei eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme für BürgerInnen. Doch der von Steffen nunmehr eingeschlagene Weg der Abschottung, indem selbst für untere Strafgerichte für BesucherInnen physische und damit auch psychische Barrieren aufgebaut werden, konterkariert die vom ihm gepriesene Offenheit und Transparenz.
Sicher, es gibt Strafverfahren, wenn es um Mord, Totschlag oder organisierte Kriminalität geht, in denen gewisse Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind, um Gewaltattacken gegen Prozessbeteiligte, Angeklagte oder Zeugen zu verhindern. Dafür gibt es im Strafjustizgebäude Gerichtssäle mit eigener Einlasskontrolle und Panzerglasscheibe.
Doch wenn BesucherInnen, die einen Prozess vorm Amtsgericht kritisch beobachten wollen, was gerade bei Verfahren mit politischem Hintergrund häufig der Fall ist, nunmehr unter Generalverdacht stehen und sich umfangreichen Taschenkontrollen und Leibesvisitationen unterziehen müssen, läuft das dem Öffentlichkeitsgrundsatz zuwider. Viele werden das Betreten eines Gerichtsgebäudes tunlichst vermeiden. Das hat nichts mit Transparenz zu tun, sondern ist pure Abschreckung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen