Porträt: Der Schlüsselspieler
Falls Werder Bremens Trainer Alexander Nouri am Sonntagmorgen gelesen hat, wie die Lokalpresse die Leistungen seiner Spieler beim 4:2-Sieg gegen den FC Ingolstadt benotet, dürfte er sich geärgert haben. Fast alle erhielten für dieses Spiel, das Werder nach zweimaligem Rückstand noch gewann und alle Abstiegssorgen vertrieb, eine durchschnittliche Benotung – nur einer ragte mit einer glatten 1 heraus: Vierfachtorschütze Max Kruse. Nouri mag es nicht, wenn einer zu sehr aus der Mannschaft herausgehoben wird und hatte tags zuvor die Verhältnisse so gewichtet: „Wir haben als Mannschaft die Situationen gut vorbereitet und er hat eiskalt vollstreckt.“
Eine Mannschaft, die sich gegenseitig hilft und unterstützt, die aber auch ihre Einzelkönner zur Geltung bringt – das ist sicher ein Schlüssel für Werders Erfolgsserie von zehn Spielen ohne Niederlage. Umgekehrt inspiriert auch Kruse das Spiel der Mannschaft, gibt die Laufwege vor, spielt fast immer den richtigen Pass und macht jeden Quadratzentimeter des Platzes zu seinem Element.
Der gebürtige Reinbeker, der in seiner Kindheit HSV-Fan war, zeigt wieder die Qualitäten, die ihn von früh an auszeichnen. „Wer ihn sah, mit seiner Antriebsfreude und seinem Spielwitz, bekam Energie für die eigene Arbeit“, erinnert sich Hamburgs Stützpunktkoordinator Stephan Kerber, der den 13-jährigen Kruse trainierte. Max habe sich am Tempo erfreut, am Torjubel und am Mannschaftserfolg. Und Uwe Hartggen, der den 18-jährigen Kruse als Nachwuchschef von Werder unter seinen Fittichen hatte, sagt: „Der nimmt den Ball, geht drauf los und löst damit etwas aus.“ Klingt nach einem Vollblutfußballer, der seine Mitspieler mit Energie vollpumpt.
Diese Qualitäten, die Kruse auch beim FC St. Pauli, SC Freiburg und bei Borussia Mönchengladbach gezeigt hat, waren in dem Jahr beim VfL Wolfsburg verschüttet – seine Leistungen litten unter dem mangelnden Wohlfühlfaktor in dem schlecht zusammengestellten Team, sein Hang zu extravaganten Aktionen außerhalb des Spielfeldes dominierten die Schlagzeilen, bis hin zum Rauswurf aus der Nationalmannschaft.
Bei Werder hat er nun offensichtlich wieder ein Klima gefunden, in dem nicht nur seine Leistung, sondern auch seine Ecken und Kanten respektiert werden. „Mein Umfeld ist wichtig, um meine Leistung abzurufen“, sagte er nach seinem Viererpack in Ingolstadt. Zu diesem Umfeld gehören auch Mitspieler Fin Bartels und Co-Trainer Florian Bruns, die mit ihm das Mittelfeld des FC St. Pauli beim Bundesliga-Aufstieg 2010 bildeten. Wenn Bundestrainer Jogi Löw kein Kleingeist ist, kann Kruse sich auch bald wieder in der Nationalmannschaft ausleben. RLO
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