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Zum Küssen schön

Spiellust Die FC-Bayern-Flügelzange Robben/Ribery mag schon etwas antik sein, beim 4:1 gegen Dortmund greift sie jedoch wieder so gut, dass selbst Real Madrid für kommenden Mittwoch in die Außenseiterrolle gerät

In Form und Schönheit: Arjen Robben und alle Welt weiß, wie er frei zum Schuss kommt Foto: reuters

Aus München Elisabeth Schlammerl

Carlo Ancelotti hat es eigentlich nicht nötig, seine Sozialkompetenz im Stadion zu demonstrieren. Er war im vergangenen Sommer nicht nur mit der Empfehlung einer stattlichen Titelsammlung zum FC Bayern gekommen, sondern auch mit dem Ruf, ein besonders guter Spielerversteher zu sein – und den hat er in den vergangenen zehn Monaten bereits bestätigt.

Aber am Samstag, in der Schlussphase des kurzweiligen, aber doch sehr einseitigen deutschen Classico zwischen dem Rekordmeister und Borussia Dortmund, hat der Münchner Trainer gezeigt, wie Deeskala­tions­management funktioniert. Als sich Franck Ribery bei seiner Auswechslung eine Viertelstunde vor Spielende bei Ancelotti beklagen wollte, nahm der den Franzosen einfach in den Arm, drückte ihm einen versöhnlichen Kuss auf die Wange – und der Ärger war verflogen. Es sei eine schöne Anerkennung, sagte Ribery später. „Ich habe viel Vertrauen in den Trainer. Es macht viel Spaß mit ihm.“

Die kleine Szene am Rande des Spielfeldes hat auf den ersten Blick nicht viel zu tun mit der bayerischen 4:1-Machtdemonstration. Die Münchner hatten die personell geschwächten Dortmunder bereits in der Anfangsphase durch die Tore von Ribery und Robert Lewandowski in die Schranken gewiesen. Raphael Guerreiros Anschlusstreffer war nicht mehr als ein Schönheitsfehler, den Arjen Robben und noch einmal Lewandowski, dieses Mal per Foulelfmeter, nach der Pause ausmerzten. Man sollte meinen, dass ein Spieler im Spätherbst seiner Karriere, dessen Knochen, Muskeln und Sehnen weniger strapazierfähig geworden sind, froh ist, vier Tage vor dem viel wichtigeren Cham­pions-League-Spiel gegen Real Madrid nicht über 90 Minuten spielen zu müssen. Aber mit Ratio kann man Ribery genauso wenig kommen wie seinem Pendant auf der linken Seite, Arjen Robben, der bei Auswechslungen zuletzt ebenfalls seinen Unmut deutlich gezeigt hatte. Sie wollen eben immer nur spielen.

Ribery ist vor ein paar Tagen 34 Jahre alt geworden, Robben ist nur ein paar Monate jünger, aber die beiden haben nach all den Erfolgen weder Spiellust noch Gier verloren. Sie sind noch immer nicht zu ersetzen. Ihre potenziellen Nachfolger, die talentierten Douglas Costa und Kingsey Coman, wirken derzeit nur wie eine schlechte Kopie. Robben überrumpelt mit seinem Standard-Repertoire, der Bewegung von links in die Mitte, die gegnerische Verteidigung wie in seiner ersten Bayern-Saison 2010, und Ribery sorgt mit seinen Dribblings, seinen Positionswechseln und den präzisen Pässen noch immer für große Verwirrung.

Douglas Costa und Kingsey Coman wirken nur wie eine schlechte Kopie

„Es war nicht möglich, auf diesem Niveau zu konkurrieren“, gab Thomas Tuchel zu. Der Dortmunder Trainer sprach von einer „sehr lehrreichen, sehr bitteren Erfahrung“. Sein Klubchef Hans-Joachim Watzke traut den Bayern nun sogar den Triumph in der Champions League zu. Er sehe viele Spiele von Barcelona und Real Madrid im Fernsehen, „aber die Form, die die Bayern im Moment haben, da kommen die anderen beiden nicht mit“.

Die junge Dortmunder Mannschaft, bei der rund die Hälfte der Spieler in der Anfangself zum ersten Mal in München angetreten war, mag kein Gradmesser für das Viertelfinalhinspiel am Mittwoch sein. Aber der Unterschied zwischen jenem FC Bayern, der in den vergangenen beiden Jahren an Barcelona und Atletico Madrid scheiterten, und dem in dieser Saison ist, dass Ribery und Robben fit sind und in Bestform spielen. „Jetzt kommt der schöne Monat“, sagte der Niederländer. „Da musst du da sein.“ Trotz einer Schrecksekunde am Samstag wird dies gegen Real wohl auch auf Lewandowski zutreffen. Bei einem Foul von BVB-Torhüter Roman Bürki verletzte sich der Pole an der Schulter, gab aber später Entwarnung. Es handle sich nur um eine Prellung. „Es ist nicht so schlimm, ich werde für Mittwoch hundertprozentig bereit sein.“ So wie der Rest der Mannschaft.

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