Hammers Weinkostbar: Überraschung im Glas
Weinprobe
von
Michael Pöppl
„Eigentlich komme ich aus einer Biergegend“, sagt der Oberfranke Jürgen Hammer. Nach Unterfranken, dem sogenannten Weinfranken, kam er bei der Ausbildung. Im „Schweizer Hof“ in Würzburg arbeitete er sich zum Sommelier hoch, wurde Chefsommelier bei Dreisternekoch Dieter Müller in Bergisch-Gladbach, wo er auch Manuela Sporbert kennenlernte. Weitere Stationen führten das Paar nach Berlin, unter anderem in die Weinbar Rutz. Vor zehn Jahren eröffnete das Paar dann die „Weinkostbar“, eine Mischung aus Weingeschäft und gehobener Probierstube. Mehr Weinwissen als hier kann man in Berlin wohl kaum finden, dennoch wirkt der gemütliche Laden geerdet und strahlt die typisch entspannte Kreuzberger Lässigkeit aus.
„Ich habe mich erst spät auch für die Weintechnik interessiert“, erzählt Jürgen Hammer hinterm Tresen, „von den Winzern, die ich kenne, habe ich viel dazugelernt und lerne immer noch.“ Und er kennt viele Winzer, rund 150 Betriebe sind im Angebot der Weinkostbar vertreten. Wer fragt, bekommt spannende Geschichten erzählt, über Rebsorten, die Winzereigenheiten oder deren besondere Kellertechniken. „Manchmal muss mich meine Frau bremsen“, sagt Hammer und lächelt, „denn die geneigten Weintrinker wollen vor allem Spaß an den Weinen haben.“ Die Weinseminare und „Winzerstunden“ in der Weinkostbar sind meist dennoch, oder gerade deswegen, schnell ausgebucht.
Für die taz-Leser hat der Sommelier zwei besondere Flaschen auf die Theke gestellt. Der erste ist ein Müller-Thurgau, eine oft unterschätzte Sorte, natürlich aus Franken. Die Steillagen des Ökowinzers Stefan Kraemer liegen bei Auernhofen, 50 Kilometer südlich von Würzburg, am Rande des Taubertals. Der visionäre Winzer setzt auf Handarbeit und organische Bodenpflege, ist jeden Tag im Weinberg, wie Hammer erzählt: „Der Weinberg ist meiner Überzeugung nach der Ort, an dem man am wenigsten mit künstlichen Mitteln arbeiten sollte.“ Der Biowinzer Kraemer verlässt sich aber auch im Keller auf das Natürliche, die Weine reifen bei spontaner Gärung ohne Hefezusätze. So entsteht eine echte Überraschung im Glas: Schon bei dem ersten Hineinriechen ahnt man den Muschelkalkboden, der Müller-Thurgau duftet auch leicht nach Obstblüten, am Gaumen kompakt würzig, mit voller Frucht und dennoch trocken, sehr süffig und süchtig machend. Ein absoluter Favorit für kommende Frühlingstage auf dem Balkon oder im Garten, passt zu gegrilltem Fisch, überbackenem Gemüse oder einfach zum Sonnenuntergang.
Hammers zweite Überraschung ist der Villány Portugieser von Horst Hummel, einem Berliner Rechtsanwalt, der seit den 90er Jahren in Ungarn Weine anbaut. Das Anbaugebiet Villány, auf dem der Winzer-Autodidakt Hummel traditionelle Reben zu neuer Größe bringt, liegt auf fruchtbarstem Boden im Südwesten des Landes, auf den tiefen Sedimenten des Pannonischen Meeres. Der Portugieser, noch so eine verkannte Traube, wächst dort auf Löß mit hohem Kalkgehalt. Der hellrote Wein duftet unerwartet intensiv nach dunklen roten Beeren, im Mund setzen sich rauchige Aromen über die runden Fruchtaromen von Johannisbeere und Pflaume, der Wein wirkt frisch, leicht und dicht zugleich. Ein Allrounder für das ganze Jahr und vermutlich das, was Jürgen Hammer meint, wenn er begeistert vom „Spaß am Weintrinken“ spricht.
Hammers Weinkostbar: Körtestraße 20, 10967 Berlin-Kreuzberg, Di.–Fr. 14–21 Uhr, Sa. 12–16 Uhr, Tel. (0 30) 69 81 86 77, www.hammers-wein.de
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