Berliner Stadtschloss: Schiller taugt nicht zum Kompromiss
Für die Sanierung der Schlossfassade fehlen Millionen – das Geld baden-württembergischer Unternehmer will man aber nicht.
Bekanntlich gibt es nicht nur ein Berlin, sondern viele, darunter einige, mit denen durchschnittliche BerlinerInnen nur selten in Berührung kommen. Zu dieser Kategorie zählt auch das Hauptstadtberlin, in dem sich Hauptstadtpolitiker und Hauptstadtjournalisten tummeln und über Hauptstadtthemen reden. Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses etwa ist so ein Hauptstadtthema, dass der monumentale Klotz wenig zu tun hat mit dem, was hier sonst so passiert, erschließt sich buchstäblich auf den ersten Blick
Damit sind wir bei einer Geschichte, die sich jüngst in Hauptstadtberlin ereignete und von der nun der Tagesspiegel berichtet. Im Staatsministerium für Kultur sollte ein Abendessen stattfinden, ein „Fundraising-Dinner“, um genau zu sein. Drei Dutzend baden-württembergische Unternehmer waren geladen, die sich zwischen den Gängen von ihrem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann sowie dem Humboldtforum-Intendanten Neil MacGregor Spenden für die Fassadensanierung entlocken lassen sollten.
Fünf Millionen Euro hätten so zusammenkommen sollen, im Gegenzug verlangten die Schwaben nur eine Kleinigkeit: Ein Raum im Erdgeschoss des Schlosses solle an ihre Gaben erinnern und künftig auf den Namen Baden-Württemberg-Saal hören. Allein: Das Staatsministerium für Kultur wollte das nicht – ein einzelnes Bundesland so hervorzuheben passe nicht zum weltoffenen Charakter des Hauses. Damit war die Geschichte erledigt: Den Kompromissvorschlag, den Saal stattdessen nach dem berühmten Württemberger Friedrich Schiller zu benennen, sollen die Geschäftsmänner mit Gelächter quittiert haben, das Dinner wurde abgesagt.
Hauptstadtberlin interessiert Sie nicht? Verständlich, das Dumme ist nur: Wenn es ums Geld geht, kommen Sie als Normalberlinerin wieder ins Spiel. Weil die Spenden für die Schlossfassade nämlich nicht so schnell fließen, wie die Rechnungen dafür auf dem Tisch landen, wird Preußenfanatikers Herzensprojekt momentan vom Staat zwischenfinanziert, also von Ihnen. Ein Dinner mit Kretschmann gibt es dafür nicht, aber falls Sie einen Namen tragen, der gut zum weltoffenen Charakter des Hauses passt, dann erkundigen Sie sich doch mal, ob man dort vielleicht einen Lichtschalter nach Ihnen benennen könnte. Fragen kostet schließlich nichts!
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