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Produzentin über faire Computermäuse„Fair gelötet mit Recyclingzinn“

Die neue Maus wird in Deutschland gebaut, sagt Susanne Jordan von Nager IT. Auch andere Hersteller könnten fair produzieren.

Nein, diese Maus ist nicht fair Foto: imago/United Archives
Interview von Marie Kilg

taz: Frau Jordan, ist meine Computermaus unfair?

Susanne Jordan: Höchstwahrscheinlich ja. Fast alle Computermäuse werden in China produziert. Die Leute, die sie zusammenbauen, arbeiten unter schlechten Bedingungen, genau wie die Menschen in den Minen, die die Metalle dafür abbauen. Auch unsere Maus ist nicht ganz fair. Wir versuchen aber, immer fairer zu werden. Wir arbeiten die Lieferkette ab und versuchen bei jedem Schritt, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden auszuschließen.

Wie schwierig stellt sich das für Sie dar?

Je weiter unten in der Lieferkette, desto schwieriger wird es. Unsere Maus wird in einer Integrationswerkstatt in Regensburg hergestellt. Der Zusammenbau ist also schon mal fair. Aber für jedes einzelne Teil faire Bedingungen zu bekommen, ist schwer. Das wird bei vielen Produkten nicht bedacht. Die Menschen fragen höchstens: Wo kommt das Handy her, ist das fair? Niemand fragt: Wo kommt der Lötzinn her?

Es gibt die faire Maus jetzt in der zweiten Version. Was hat sich verbessert?

Die Maus ist jetzt fair gelötet mit Recyclingzinn. Wir haben einen neuen Lieferanten für das Kabel in China. Der Betrieb ist zwar noch nicht ganz „fair“ nach unseren Standards, aber wir sind mit den Lieferanten im Gespräch und sie zeigen meiner Meinung nach echtes Interesse an unseren Anliegen. Außerdem hat die Maus jetzt ein Gehäuse aus Plastik auf Zuckerrohr-Basis. Und das Mausrad ist jetzt aus Holz. Wieder ein Stück Plastik weniger.

Sie wählen Ihre Zulieferer nach Arbeitsbedingungen und Umweltkriterien aus – nicht nach dem Preis. Ist die faire Maus teurer?

Unsere Maus kostet 30 Euro. Wenn sie teurer ist, dann liegt das eher an der geringen Stückzahl, die wir produzieren. Der Einkauf ist nicht das Problem. Ich glaube, eine faire Maus von Logitech wäre nicht viel teurer als eine normale. Man muss es wollen. Aber es gibt natürlich immer etwas, das man nicht sofort ändern kann. Irgendwelche kleinen Teile, die man nur bei einem bestimmten Hersteller kaufen kann.

Im Interview: Susanne Jordan

Die Bayerin ist Projektkoordinatorin und Vorstandsmitglied des eingetragenen Vereins Nager IT, der faire Computermäuse herstellt.

Gibt es in Deutschland Gesetze, die solche Bedingungen regeln?

Dafür würde ich sehr plädieren, aber leider gibt es das in keinem Bereich. Das wäre super, wenn man die Einfuhr von Produkten verbieten würde, bei deren Herstellung Menschenrechte verletzt wurden.

Gibt es bald einen fairen Bildschirm oder eine faire Tastatur?

Als wir anfingen, hofften wir, dass andere Firmen das machen. Dass die Nachfrage nach solchen Produkten steigt und andere Hersteller nachziehen. Ist aber nicht passiert. Wir schaffen das vom Aufwand her nicht.

Dann muss ich weiter unfaire Elektrogeräte kaufen. Sind wenigstens manche Hersteller weniger schlimm als der Rest?

Ich kann leider nicht sagen, welche Firmen besser sind als andere. Alle kaufen bei den gleichen Fabriken in China ein. Es gibt höchstens Firmen, die besser damit werben, wenn sie dann doch mal in einer Fabrik kaufen, bei der die Bedingungen besser sind. Aber es ist sehr diffus und schwer nachzuvoll­ziehen, wo bei jedem Hersteller die ganzen Einzelteile herkommen.

Was kann ich dann beim Kauf von Elektrogeräten beachten?

Man kann gebrauchte Geräte kaufen. Dann gibt man wenigstens nicht neue Menschenrechtsverletzungen in Auftrag. Und, das klingt immer doof, aber ich finde das Nachfragen wichtig. Auch bei Saturn mal fragen: Gibt es hier faire Computer? Ich glaube schon, dass Hersteller sich letztendlich danach richten, was die Kunden wollen. Wenn unsere Kunden nach der Maus in einer bestimmten Form fragen: Habt ihr die faire Maus auch in schön? Dann sage ich ihnen, dass sie auch bei Logitech fragen sollen: Habt ihr die schöne Maus auch in fair?

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11 Kommentare

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  • Fairness ist Ansichtssache – und eine Frage der Standards, die Einzelne setzen.

     

    Was Susanne Jordan sagen kann ohne zu lügen ist: Die Bedingungen, unter denen in China produziert oder in Afrika abgebaut wird, sind noch unfairer, als die Bedingungen, unter denen Nager IT in Deutschland montieren lässt. Immerhin gibt es ja hier den 8-Stunden Tag, eine 5-Tage-Woche und einen Arbeitsschutzbeauftragten. Was sie nicht behaupten kann ist, dass es hier wirklich fair zugeht.

     

    Nach allem, was ich höre, fühlen sich auch Menschen in Integrationswerkstätten unfair behandelt. Vor allem dann, wenn sie für einen ganzen langen Tag voller Anstrengung und Konzentration nicht einmal das kriegen, was einem Chinesen in China gezahlt wird. Und zwar mit der Begründung, ihre Arbeit sei nicht effektiv genug und überhaupt würden sie ja schon vom Staat alimentiert.

     

    Die Mitarbeiter in diesen Werkstätten tun ihr Möglichstes. Dafür, dass sie nicht so effektiv arbeiten wie andere, können sie nichts. Sie wären auch lieber ein wenig leistungsfähiger.

     

    "Es gibt natürlich immer etwas, das man nicht sofort ändern kann", sagt Susanne Jordan. Leider meint sie mit „man“ nicht die Mitarbeiter in den "integrativen" Werkstätten, sondern sich selbst. Dass sie auf manche Randbedingungen keinen Einfluss hat, soll ihren Erfolg nicht schmälern. Die Behinderten, die für Nager IT arbeiten, können es sich so leicht nicht machen. Die sollen sich mit weniger zufrieden geben, damit Susanne Jordan werben kann für sich und "ihr" Produkt: "Wir produzieren fair."

     

    Übrigens: Dass sie es wirklich "super" finden würde, wenn die Einfuhr von Produkten verboten wäre, bei deren Herstellung Menschenrechte verletzt wurden, glaube ich nicht. Es gibt kein Menschenrecht darauf, aus der Arbeit schlecht bezahlter Behinderter, die sich nicht wehren können, (moralischen) Profit zu schlagen. Es gibt allerdings ein Menschenrecht auf Gleichbehandlung. Der Mindestlohn müsste also eigentlich für alle gelten.

    • @mowgli:

      Wenn ich Ihren Text richtig interpretieren, kennen Sie Retex nicht, verurteilen aber deren Arbeitsweise. Ich möchte hier einige Punkte richtig stellen

       

      1. Bitte beachten Sie, unsere Partner-Werksatt Retex ist eine Integrationswerkstatt, die Menschen beschäftigt, die durch eine psychische Krankheit z.T. vorübergehend, z.T. dauerhaft, nicht mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten können oder wollen. Es handelt sich, wie Sie auf der Firmen-Homepage lesen können nicht um eine Behindertenwerkstatt.

       

      2. Wie kommen Sie darauf, dass die Arbeiter_innen dort 40 Stunden/ Woche arbeiten würden? Keiner der psychisch geschwächten arbeitet dort so viel.

       

      3. Ihre Aussage, dass die Arbeiter_innen bei Retex bei vollem Stundenumfang weniger verdienen als chinesische Fabrikarbeiter_innen und gegen unsere Arbeitsgesetze hier ausgebeutet werden, entspricht nicht den Tatsachen. Ebenso wenig trifft Ihre Aussage zu, dass die Leistung der Arbeiter_innen von der Firma diskreditiert würde. Ich möchte Sie an dieser Stelle auf §186 im Strafgesetzbuch (StGB)

      (üble Nachrede) hinweisen. Wenn Sie weitere Fragen zum Entlohnungssystem in Integrationswerkstätten und bei Retex haben, wenden Sie sich bitte gerne direkt an die Geschäftsleitung der Retex.

    • @mowgli:

      "nicht einmal das kriegen, was einem Chinesen in China gezahlt wird." - Irgendwie ist das doch ziemlich - äh, irgendwie ein bißchen Bullshit. Denn Sie ignorieren die Tatsache, dass die chinesische Arbeiterin von dem erhaltenen Lohn Miete und Essen kaufen, evt. auch noch Kinder und Großeltern unterhalten, Schulgeld bezahlen muss etc. Während Menschen mit Behinderung in Deutschland eben doch Unterstützung zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse erhalten und von ihrer Arbeit extra profitieren können. Also was Sie hier schreiben, verharmlost m. E. ganz erheblich die Situation von Arbeiterinnen in China und anderen Entwicklungs- und Schwellenländern. Nicht, dass ich die Situation der Beschäftigten in integrativen Werkstätten beschönigen will. Aber das können Sie so einfach nicht vergleichen.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Artur Möff:

        ohja, wir kaufen eine 'faire Maus', und beuten dabei Menschen mit Behinderungen aus. Und damit sich unser Gewissen nicht meldet, erzählen wir einfach die Geschichte von den armen ArbeiterInnen in China. Wie Mowgli schon schrieb, der Mindestlohn müsste eigentlich für alle arbeitenden Menschen hier in diesem Lande gelten.

        • @81331 (Profil gelöscht):

          Siehe den Kommentar von NAGER IT weiter oben. Zusätzlich kann ich sagen:

           

          Es ist ganz klar, dass es in Deutschland und anderen europäischen Ländern nicht überall fair zugeht. Es gibt bereits viele Organisationen, die sich dieses Problems annehmen (u.a. Gewerkschaften).

           

          Bei Projekten wie NagerIT und FairLötet geht darum zu zeigen, dass in den Lieferketten aller alltäglichen Elektronik-Produkte (wie einer Maus, einem Smartphone) krasse Menschenrechtsverletzungen stecken. Wir reden von (echter) Sklaverei, Kinderarbeit, usw.

           

          Wo die ILO-Kernarbeitsnormen eingehalten werden ist unsere Arbeit abgeschlossen. Das heisst nicht, dass nicht weitere Verbesserungen wünscheswert wären.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich möchte ehrlich bezweifeln, dass irgendjemand "fair" produziert, solange die Arbeiter*Innen nicht an den Produktionsmitteln beteiligt sind.

     

    "Fairness" ist Teil eines Verkaufsgespräches. Ich glaube nicht daran.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...meine Frage wär: Gibt's denn auch eine faire 5-Tasten-Maus?

  • Die Maus ist jetzt fair gelötet mit Recyclingzinn? Das ursprüngliche Zinn stammt also aus normalem Bergbau? Ist das ganze Konzept nicht Augenwischerei? Eine Kabelmaus von Logitech kostet zwischen 5 € und 8 €. Im Grunde subventionierten hier doch wohlhabende Salonöklogen die Bekämpfung ihres schlechten Gewissens.

    • @Frank Stippel:

      Es handelt sich sowohl bei NagerIT, wie auch bei FairLötet um Initiativen, die - in Form von Leuchtturmprojekten - auf die Problematik aufmerksam machen. Beides sind eingetragene gemeinnützige Vereine ohne Gewinnabsicht.

       

      Beide Initiativen arbeiten allgemein im Bereich der fairen Elektronik (Vorträge, Lehre, Entwicklungszusammenarbeit). Diese Arbeit wird teilweise durch Maus bzw. Zinnkäufe finanziert.

       

      Zum Zinn: Wir betrachten Recycling-Zinn als fair, weil es - nach dem es einen kompletten Produktzyklus durchlaufen ist - nicht zusätzlich sozialen und ökologischen Schaden anrichtet. Ein erheblicher Teil der Erlöse geht aktuell an die indonesische NGO WAHLI, welche sich vor Ort für die betroffenen Arbeiter einsetzt.

       

      Zeitgleich sprechen wir u.a. auch mit Minenbetreibern, wie eine Zertifizierung aussehen müsste, um Fairness zu garantieren. Wir sind auch noch an ganz anderen Fronten aktiv, dazu hoffentlich mehr gegen Ende des Jahres. Das alles - nur mal so am Rande - unbezahlt und ehrenamtlich.

  • Gute Sache! Aber auch an das Recycling denken.

    • @Energiefuchs:

      Na das Zinn kommt ja schon aus dem Recycling. Das Gehäuse ist aus leicht recycelbarem Bio-Kunststoff, das Mausrad aus Holz. Alle Komponenten lassen sich leicht voneinander trennen.