Kultur Seit acht Jahren gibt es in der Neustadt die „Klangwerkstatt“. Weil ihr Vermieter jetzt den Vertrag gekündigt hat, ist die Zukunft ungewiss: Das klingt gar nicht gut
Klangwerkstatt-Gründerin Katharina Hoffmann
von Jens Fischer
Es ist ein Kleinod lebendiger Stadtteilkultur, die in der Neustadt derzeit erblüht. Aber zum 30. Juni soll sie geschlossen werden, die „Klangwerkstatt“ an der Illerstraße 2, Ecke Lahnstraße. Den vier hauptverantwortlichen Klanghandwerkern wurde die Kündigung der Räumlichkeit per Anwalt zugestellt. „Ohne irgendeine Andeutung im Vorfeld“, behauptet Gründungsmitglied Katharina Hoffmann: „Und weil es sich um einen Gewerberaum handelt, ist der Rauswurf ohne eine Begründung leider rechtens.“
Anwohner vermuten, dass der Ort gewinnbringender vermarktet werden soll. Hoffmann erklärt: „Wir zahlen inklusive aller Nebenkosten nur 350 Euro monatlich, das hatten wir mit der inzwischen verstorbenen Vermieterin ausgehandelt, die wollte halt gern eine kulturelle Nutzung.“ Nun verwalte ihr Sohn das Haus und äußere sich nicht zur Kündigung. Dass Journalisten dort mal nachfragen, möchte Hoffmann nicht.
Das Haus selbst ist eines mit Tradition. Eine der ersten Wohngemeinschaften Bremens lebte dort und zog Polizeieinsätze an. Das Erdgeschoss des 1912 errichteten Baus wurde in den ersten Jahren als Pferdestall von einem nebenan residierenden Fuhrunternehmen genutzt. „Als wir vor gut acht Jahren dort einzogen, war der Raum von einem Maler ziemlich heruntergewohnt worden. Eigentlich war es eine Abstellkammer als Komplettruine“, erzählt Hoffmann. Aber der ideale Ort für Träume und Fantasien. So gründete die Pianistin mit anderen Absolventen der Bremer Hochschule für Künste, allesamt freiberufliche Musiker, die „Klangwerkstatt“. Hoffmann lieh sich 4.000 Euro von einer Bank und renovierte einmal durch. „Den Dispokredit zahle ich immer noch ab.“
Die Instrumentalisten und Sänger gebrauchen den Raum derzeit noch für ihre Proben, allein und in diversen Ensembles, aber auch für Musikunterricht. Kinder- und Jugend- sowie Stadtteilprojekte finden dort ebenfalls statt, ein Nachbarschaftschor formiert sich, Theaterleute proben, Ausstellungen wurden organisiert, Yoga wird gelehrt. Hoffmann sagt: „Insgesamt 50 Menschen nutzen den Raum regelmäßig, er ist ein kleines Nachbarschaftszentrum.“ Mit sehr guter Akustik.
Das hat sich schnell herumgesprochen. Nicht nur die Klangwerkler, auch Gäste geben Konzerte, mehr als 120 sollen es bisher gewesen sein. Kammermusik, Jazz und experimentelle Kompositionen sind zu hören. Bei stets freiem Eintritt, in Hausmusikatmosphäre: Mehr als 40 Zuschauer passen nicht in das öffentliche Wohnzimmer.
Derzeit sammeln die Klangwerkstatt-Künstler und der Förderverein „Neue Stadt Kultur“ für ihr Anliegen Unterschriften und Stellungnahmen Betroffener. Auch im Beirat Neustadt wollen sie ihre Position vertreten. Parallel wird notgedrungen nach neuen Mietobjekten gesucht. „Aber wir sind hier ziemlich verwachsen mit dem Quartier, unsere Nutzer und Gäste wohnen in der Nachbarschaft, deswegen können wir unsere Zelte nicht einfach woanders aufschlagen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen