heute in hamburg: „Da gehst du zu Boden“
Lyrische Kritik Ex-Apo-Aktivist und Autor Thorwald Proll stellt seinen neuen Gedichtband vor
76, war Aktivist bei der APO und ist Lyriker. Bis vor Kurzem führte er die Nautilus-Buchhandlung in Hamburg.
taz: Herr Proll, wie kam es eigentlich dazu, dass Sie die anarchistische Veranstaltungswoche vor dem G20-Gipfel unterstützen?
Thorwald Proll: Freunde von mir, die diese Woche organisieren, haben mich eingeladen, aus meinem neuen Gedichtband „Raus mit der Sprache – Lyrische Knockouts 2“ zu lesen. Die Lesung ist eine Soli-Veranstaltung zur Finanzierung der geplanten Protestwoche.
Was hat denn Lyrik mit Aktivismus zu tun?
Erst mal bedeutet meine Lesung nur, dass ich die Aktivisten unterstütze. Ich bringe zwar ein paar Bücher mit, um sie zu verkaufen, jedoch mache ich das nicht, um damit Geld zu verdienen.
Ist es denn möglich, von kritischen Gedichten zu leben?
Nein, ist es nicht. Das wollte ich aber auch nicht. Beziehungsweise musste ich nie. Kaum ein Dichter würde sagen, dass er von Lyrik leben kann. Die Lyriker, die damit Geld verdienen, machen das nicht hauptberuflich. Lyrik ist sozusagen kostenlos.
Wann haben Sie mit dem Schreiben angefangen?
Ich war schon immer interessiert an Literatur. Habe viel gelesen und Germanistik studiert. 1970 habe ich dann angefangen, Gedichte zu schreiben. Da war ich noch im Gefängnis.
Sie waren an drei Kaufhaus-Brandstiftungen im April 1968 beteiligt und wurden verurteilt.
Genau, in der Haft habe ich mit dem Schreiben angefangen. Damals war das für mich wie eine Art lyrische Beichte.
Mittlerweile haben Sie viele Bücher und Gedichtbände veröffentlicht. Worum geht es in Ihrem neuen Buch?
Um Alltägliches, Gedanken, Beobachtungen. Hauptsächlich um einen Alltag in einer kapitalistischen Umwelt.
Also ist es eine Gesellschaftskritik?
Auch – aber nicht nur. Meine Gedichte sind nicht zwingend politisch. Aber viele sind es. Ich schreibe über das, was mir begegnet. Zum Beispiel über die Situation in der Türkei.
Was kann Lyrik denn da bewirken?
Gedichte können einen ausknocken. Du liest ein Gedicht und wirst zu Boden gerissen. Daher auch der Titel: „Raus mit der Sprache – Lyrische Knockouts 2“. Das kann man in vielerlei Hinsicht interpretieren.
Interview Katharina Kücke
Lesung „Raus mit der Sprache“ und Gespräch mit Thorwald Proll: 20 Uhr, Jupi Bar – Gängeviertel, Caffamacherreihe 39, Soli zur Finanzierung einer anarchistischen Veranstaltungswoche vor dem G20-Gipfel
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