heute in Bremen: „Diese Staaten brauchen Zeit“
Podium Sarah Ryglewski diskutiert mit der Bundesbeauftragten für Menschenrechte
34, Politikwissenschaflterin, SPD-Bundestagsabgeordnete seit 2015, wo sie Mitglied im Finanz- und Petitionsausschuss ist.
taz: Frau Ryglewski, Sie diskutieren heute übers Thema „Sichere Herkunftsländer“?
Sarah Ryglewski: Nicht nur. Die Veranstaltung thematisiert den Zusammenhang von Menschenrechtsproblematik und Flucht, in den Herkunfts- und Durchgangsländern – die europäischen eingeschlossen. Die Frage nach sicheren Herkunftsstaaten gehört dazu.
Das Konzept hat in den vergangenen Jahren in Regierungskreisen an Popularität gewonnen.
Ja, leider. Wenn man sich die Staaten anguckt, die jetzt in der Diskussion waren, wie die Maghreb-Staaten, dann würde ich ein dickes Fragezeichen dahinter machen, ob man die als sicher bezeichnen sollte.
Inwiefern?
Man kann die Lage dort sicher nicht mit Kriegsländern wie Syrien vergleichen. Aber es ist bekannt, dass nicht nur Homosexuelle dort echter Verfolgung ausgesetzt sind, es gibt von dort auch immer wieder Berichte über extreme Polizeigewalt gegen bestimmte Gruppen. Da von sicheren Herkunftsstaaten zu sprechen, halte ich für schwierig.
Es führt dazu, dass Herrscher wie der Monarch von Marokko, wo ja weiterhin Krieg ist, so ein Etikett propagandistisch ausnützen können: Wird das in der Debatte problematisiert?
Ehrlich gesagt: Nein. Und es stimmt, die Möglichkeit besteht, dass ein Regime diese Bezeichnung als ein Testat instrumentalisiert – obwohl es das nicht ist.
Wie bekommen Sie denn jetzt Ihre Partei dazu, sich vom Konzept der sicheren Herkunftsstaaten zu lösen?
Da geht’s ums Bohren dicker Bretter, keine Frage. Zwar bleibt das Asylrecht an die Person gebunden und es soll immer jeder einzelne Fall berücksichtigt werden, aber wir senden damit natürlich auch ein Signal, und es besteht die Gefahr, dass dadurch Leute durchs Raster fallen. Allerdings bin ich nicht die einzige Sozialdemokratin, die so denkt und war ja auch nicht die Einzige in der Fraktion, die gegen die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten gestimmt hat.
Welche Instrumente wären denn sinnvoller?
Ein sinnvolles Instrument wäre ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild, wie es die SPD vorgelegt hat, und hier auch trotz Widerstand aus der Union nicht locker lassen wird. Die meisten Menschen, die beispielsweise aus dem Maghreb hierherziehen, sind ja tatsächlich keine klassischen politischen Flüchtlinge. Die sehen hier eine bessere Perspektive für ihr Leben. In den Staaten des Arabischen Frühlings ist ja leider aus der Demokratisierung noch nicht so viel geworden. Diese Staaten brauchen Zeit, um ihren demokratischen Weg zu finden. Und sie brauchen dabei Begleitung; Wir wollen, dass die Leute in ihren Ländern eine Perspektive haben.
interview bes
Herausforderungen in unsicheren Zeiten – Diskussion mit der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Bärbel Kofler „Herausforderungen in unsicheren Zeiten – Menschenrechte und Flucht“, 17. 2., 17 Uhr, Europa-Punkt, Am Markt 20
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen