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Fake News essen Humor auf

SONDERPROGRAMM Die diskursive Reihe Forum Expanded verbindet Film und bildende Kunst, dieses Mal allerdings eher bodenständig

Still aus „Isla Santa Maria 3D“ von Oliver Husain Foto: Foto:Oliver Husain

von Brigitte Werneburg

Das Team um Stefanie Schulte-Strathaus und Anselm Franke hat Beachtliches auf die Beine gestellt. Forum Expanded Screening bietet eine Ausstellung, dazu Talks und Diskussionen wie gestern, als über einen Tag hinweg das Filmarchiv in seinen verschiedenen Facetten vorgestellt wurde. Mit dabei war etwa das Karrabing Film Collective aus Australien, das in der Ausstellung des Forum Expanded in Akademie der Künste eine Installation zeigt.

„Wutharr, Saltwater Dreams“ erzählt vom Streit einer indigenen Großfamilie darüber, warum das Motorboot eine Panne hatte. Lag es an mangelnder Wartung? An den Ahnen? Oder handelte es sich um eine Prüfung des christlichen Glaubens? Die Darsteller sind beeindruckend, und dem Kollektiv gelingt eine schöne Mischform aus Soap-Opera und beobachtender Dokumentation, in der die Frage nach dem Motorschaden in gebührender Ernsthaftigkeit durchgearbeitet und dis­tanzschaffender Komik doch Raum gegeben wird.

Ähnlich arbeitet Mike Crane bei „UHF42 E01+E02“, den ersten beiden Episoden einer sechsteiligen Serie, die er in der Nachrichtenagentur von Wattan TV in Ramallah im Westjordanland situiert. Die Serie beobachtet das alltägliche Redaktionsleben der Angestellten in teils dokumentarischen, teils inszenierten Bildern: Konkret geht es um Recherchen zur enormen privaten Verschuldung, die sich der spezifischen Infrastruktur unter militärischer Besatzung verdankt und Ramallah vordergründig zu einer Art Wohlstandsinsel inmitten der besetzten palästinensischen Gebiete macht.

Dem diskursiven Charakter der Arbeiten entspricht das Setting von Leinwand und davor platzierten Zuschauer*innen. Das wird zwar bei „UHF42 E01+E02“ ein bisschen aufwendiger inszeniert als bei „Wutharr“ oder bei Oliver Husains „Isla Santa Maria 3D“, deren Dreidimensionalität Referenz an die stereoskopische Fotografie ist, die die „World’s Columbian Exposition“ 1893 in Chicago beherrschte, für die Kolumbus’ Santa Maria nachgebaut worden war. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass in formaler Hinsicht das Forum Expanded enttäuscht. Anders als im letzten Jahr, als Natascha Sadr Haghighian ihren „Pssst Leopard 2A7*“-Panzer auffuhr, fehlt die skulpturale Arbeit, die Irritation der gleichförmigen Abfolge von Screens.

Dazu experimentieren die Beiträge nicht nur in der Form, sondern auch im Inhalt nur selten mit ihrer medialen Verfasstheit und thematisieren sie kaum selbstreferenziell. Das erstaunt bei einem Konzept, das doch die Regeln und Genregrenzen sowohl des Kinos wie der Kunst bearbeiten, auflösen oder auch zusammenführen, in jedem Fall aber in Frage stellen soll. Liegt es an der Konkurrenz der Großereignisse des Jahres 2017, an der Biennale in Venedig, der documenta 14 in Athen und Kassel, an den Skulptur Projekten Münster, last not least der Istanbul Biennale, dass die Arbeiten des FE sich ganz bescheiden auf Inhalte konzentrieren?

Oder zeigt sich darin nur der bodenständige Anspruch der 12. Ausgabe, der sich nach Stefanie Schulte-Strathaus im Titel „The Stars Down to Earth“ zeigen soll, den sie bei Theodor W. Ador­no fand? Freilich untersuchte er in seinem gleichnamigen Essay das Horoskop einer kalifornischen Tageszeitung in seiner Funktion, sozialen Konformismus herzustellen, ganz ähnlich faschistischer Propaganda. Bodenständigkeit hat hier einen etwas anderen Akzent.

Nun gut. Information heißt die diesjährige Forum-Expanded-Erfahrung. Mit Daniel Kötter fährt man in die Vororte von Teheran und macht sich dabei über Wohnungsbau und Stadtentwicklung schlau, um dann in Kanada mit Sasha Litvintseva und Graeme Arnfield durch verpackte – weil asbestverseuchte – Häuser zu gehen, die aussehen, als müsse gleich Walter White um die Ecke kommen, um Speed zu kochen. Man lernt mit Eva C. Heldmann einen heutigen Hie­ronymus „Im Gehäuse“ kennen, der nachts einsam seine Protestplakate wie „Jews deserve better than Israel“ die Straße auf und ab trägt. Und dann wird man stutzig und fragt sich, auf all die vielen gesehen Filme bezogen, ist das alles glaubhaft? Zwar spricht wenig dafür, dass Recherchen, Erfindung und Bilder gefakt wären. Doch aktuelle Erfahrungen, etwa mit Alternative Facts, lassen künstlerische Mischformen aus Fakten und Fiktion oder die Montage kontextlosen Dokumentarmaterials stark an subversivem Charme und erhellendem Witz verlieren.

Bis 20. Februar, Akademie der Künste, Arsenal 1 und Delphi Kino siehe berlinale.de

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