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Ungleiche Paarungen

Verdrängte Forscherin Das Stück „Foto 51“ am Ernst-Deutsch-Theater erzählt die Geschichte der britischen Biochemikerin Rosalind Franklin, deren Beitrag zur Entdeckung der DNA-Struktur lange Zeit verkannt wurde

Arbeiten wie die zwei Stränge der DNA zusammen, berühren sich aber nie: Rosalind Franklin (Isabella Vértes-Schütter) und Maurice Wilkins (Christoph Tomanek) Foto: Oliver Fantitsch

von Robert Matthies

Ein unscharfer dunkler Kreis, im Inneren ein wenig heller, darin ein paar dunkle Tupfer, die ein X ergeben – es braucht schon Hintergrundwissen und Einbildungskraft, um zu erkennen, was auf „Foto 51“ zu sehen ist. 1952 erzeugte die britische Röntgenkristallografie-Spezialistin Rosalind Franklin die Aufnahme am Londoner King’s College: ein sogenanntes Laue-Diagramm einer DNA – des „Moleküls des Lebens“.

Für die Entwicklung der Biologie hatte das Bild fundamentale Bedeutung: Für die Entdeckung der Doppelhelixstruktur der DNA durch den US-Biologen James Watson und den britischen Physiker Francis Crick gab sie den entscheidenden Denkanstoß. Erkannt hatte Watson die Struktur, nachdem Franklins Kollege Maurice Wilkins – ein Schulfreund Cricks – ihm das Foto ohne ihr Wissen gezeigt hatte.

Für ihre Entdeckung wurden Watson, Crick und Wilkins 1962 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Franklin, die 1958 mit nur 38 Jahren an den Folgen einer durch all die Röntgenstrahlung verursachten Krebserkrankung gestorben war, wurde nicht nominiert – posthum wird der Preis nicht verliehen.

Verkannte Forscherin

Franklins Geschichte ist ein tragisches Beispiel für den „Ma­thilda-Effekt“: die systematische Leugnung des Beitrags von Wissenschaftlerinnen, deren Arbeit dann männlichen Kollegen zugeschrieben wird. Weder in ihrer Publikation in der Zeitschrift Nature noch in ihren Nobelpreis-Reden erwähnten Watson und Crick die Schlüsselrolle, die Franklins Daten bei der Aufklärung der DNA-Struktur gespielt hatten.

Und Watson ging noch einen Schritt weiter. Ende der 60er schrieb er über sie in seinem Buch „Die Doppelhelix“ nur mit sexistischer Herablassung. Stets nannte er sie mit dem von ihr verhassten Kosenamen „Rosy“, ließ sich über Äußerlichkeiten aus, machte sich darüber lustig, dass sie „phantasielose Kleider wie nur irgendein blaustrümpfiger englischer Teenager“ getragen habe.

In den Archiven der Wissenschaft tauchte Rosalind Franklin auch deshalb lange Zeit nur in Randnotizen auf. Erst über 40 Jahre nach ihrem Tod rückte Brenda Maddox’Biografie „The Dark Lady of DNA“ Franklin wieder in ein anderes Licht.

2008 hat die US-amerikanische Dramatikerin Anna Ziegler, fasziniert von Maddox’Buch und den darin geschilderten Widersprüchen in Franklins Charakter, die verkannte Forscherin schließlich zur Protagonistin ihres Theaterstückes „Foto 51“ gemacht. Jetzt ist die deutschsprachige Erstaufführung am Ernst-Deutsch-Theater zu sehen.

Das hier noch unbekannte Stück mit dem kryptischen Titel ins Programm zu nehmen, ist für Deutschlands größtes Privattheater ein gelungenes Wagnis. Denn Ziegler hat es geschafft, aus der trockenen Wissenschaftsmaterie ein unterhaltsames Gesellschaftsdrama über den Kampf einer jüdischen Frau um Anerkennung in einer von machohaften Männern geprägten Wissenschaftswelt zu machen.

Denn belehrendes Doku­theater will „Foto 51“ nicht sein, um Wissenschaft selbst geht es kaum und mit historischen Fakten geht Ziegler frei um. Stattdessen erzählt sie die Geschichte zweier ganz verschiedener Paare: zweier Stränge, die zusammenarbeiten und etwas erschaffen, ohne sich tatsächlich zu berühren – so wie die Stränge der DNA.

Doppelhelix als Metapher

Auf der einen Seite stehen die eigenbrötlerisch-verbissene Rosalind Franklin, die Intendantin Isabella Vértes-Schütter höchstselbst als starrgesichtig-arbeitssame Rebellin gibt, die sich der Vereinnahmung durch die Männer resolut verweigert, und der von ihr immer wieder gedemütigte und sie im Gegenzug mal mit Pralinen umgarnende, dann wieder herablassend-chauvinistisch behandelnde Wilkins, dessen immer wütender werdende Hilflosigkeit Christoph Tomanek souverän spielt. Zusammen kommen sie nicht, bis zum Ende bleiben sie Gegner: das scheiternde Paar.

Ihnen gegenüber steht das erfolgreiche Paar: der selbstverliebte Watson, von Anton Pleva sichtbar mit Spaß gespielt, und sein von Stephan A. Tölle schön kauzig gegebener Sidekick Crick, zwei Whisky trinkende Männerfreunde, die auch mal Fünfe gerade sein lassen und alles darangeben, den Wettlauf um die Entdeckung des Geheimnisses des Lebens zu gewinnen.

Im Grunde ist es eine Geschichte übers Erkennen und Verkennen, übers Sichöffnen und Sichverschließen, die Ziegler klug und temporeich genug dramatisiert hat, dass der zweistündige Abend auch trotz der eher betulichen Regie von Hartmut Uhlemann nicht langweilig wird. Und am Ende weiß man nicht nur – ein bisschen – mehr über die komplizierten Beziehungen im „Molekül des Lebens“. Sondern auch, dass es noch viel kompliziertere Beziehungen gibt: die zwischen Menschen.

Sa, 4. 2., 19.30 Uhr, Ernst-Deutsch-Theater. Weitere Aufführungen bis 19. 2.

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