Journalisten und Fußball-Zweitligist: Dreckiges Spiel
Der Fußballverein 1860 München liefert immer wieder Stoff für kritische Berichte. Nun verlieren einige Medien die Dauerakkreditierung.
Die Journalist*innen von Bild München, tz und Münchner Merkur müssen ab sofort bei Heimspielen des Münchner Fußballvereins 1860 separate Anträge auf Zulassung zu den Pressebereichen im Stadion stellen. Die dauerhafte Akkreditierung wurde ihnen entzogen. Der Bayerische Journalisten-Verband kritisierte die Maßnahmen als „Pressepolitik nach Gutsherrenart“.
Der Verein aus der zweiten Bundesliga lieferte in der Vergangenheit immer wieder Stoff für kritische Berichte und Kommentare der Lokalmedien. Unter der Führung des jordanischen Investors Hasan Ismaik sei der Verein komplett umgekrempelt worden, war zu lesen. Auch über Ismaiks Entscheidungen, was Spielertransfers und den Wechsel innerhalb der Geschäftsführung des Vereins angeht, wurde kritisch berichtet.
Es folgten Richtigstellungen des Vereins: Einige Artikel aus den besagten Zeitungen seien unsachlich und irreführend. Im November 2016 führte das Gezerre gar zum Boykott. Der Verein verfügt, dass „sämtliche Repräsentanten der Löwen bis auf Weiteres nicht für Interviews zur Verfügung stehen“. Nun legt die Vereinsführung offenbar noch eins drauf, in dem sie die Zugangsbedingungen für Journalist*innen erschwert.
„Ich werde diesen charakterlosen Menschen nie mehr ein Interview geben“, schrieb Ismaik auf seiner Facebookseite. „Es ist ein dreckiges Spiel zwischen Medien und Hintermännern, das ich längst durchschaut habe.“ Welches „Spiel“ er meint, bleibt offen.
Unbeeindruckter Sportredakteur
Die Pressestelle des TSV entzog daraufhin die Dauerakkreditierungen der drei aus ihrer Sicht größten Störenfriede. „Der Verein sieht auf Grund der Berichterstattung in den letzten Wochen keine Basis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit“, erklärte 1860-Geschäftsführer Anthony Power den betroffenen Medien.
Nachdem in der Vergangenheit bereits die oppositionellen Stimmen der aktiven Fanszene aus dem Stadion verdrängt wurden, scheinen nun die Sportredakteure an der Reihe zu sein. De facto bedeutet der Wegfall der seit Jahrzehnten bereitgestellten Dauerakkreditierungen einen unnötigen Mehraufwand für die Redakteure. Für jedes Heimspiel müssen sie sich in Zukunft neu ausweisen und einen Redaktionsauftrag vorlegen.
Der Sportredakteur des Münchner Merkur Heinrich Lemer, gibt sich unbeeindruckt: „Wir lassen uns von dieser Schikane nicht einschränken und werden unsere Berichterstattung weiterführen. Das sind wir unserer Leserschaft schuldig.“ Zum künftigen Umgang mit Pressevertretern äußert sich der TSV 1860 auf Nachfrage nicht.
Die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins soll zukünftig von einer eigens dafür engagierten Werbeagentur geleitet werden. Die Entwicklung des Klubs liegt indes weiter den Händen des Investor. Vielleicht blickt er aufmerksam gen Großbritannien, wo bereits 2015 kritisch berichtenden Journalisten Zugänge zu Spielern und Trainern verwehrt wurden. Im gleichen Zuge bauten Klubs vereinseigene TV-Kanäle auf, die mit Exklusivinterviews die Berichte der Zeitungsredaktionen zu ersetzen versuchten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland