: “Wir werfen Angelhaken aus“
Unterstützung Die Filmwerkstatt Kiel hat sich ganz dem Nachwuchs der Branche verschrieben. Der Leiter Arne Sommer über schrägen Kram aus Malente, kulturelle Bezüge zum Land und den Versuch, unabhängig zu bleiben
Interview Wilfried Hippen
taz: Herr Sommer, was ist das Besondere an der Filmwerkstatt Kiel?
Arne Sommer: Unsere Philosophie, die sich an skandinavischen Filmwerkstätten orientiert. Denen wie uns geht es mehr um praktische Hilfe für die Filmemacher. Wir wollen den Nachwuchs, Quereinsteiger und lokale Filmemacher, die nicht in die große Filmwelt nach Berlin wollen, sondern lieber hier vor Ort ihre Filme machen, mit Geld und mit Technik unterstützen.
Was für Technik?
Zu den Zeiten des 16- und 35mm-Films war das ja noch eine ganz andere Geschichte, weil das Filmemachen damals teuer war. Heute haben die Leute ihre Spiegelreflexkameras und schneiden in Schlafzimmern auf ihren Laptops. Aber bei unserer Gründung 1989 war klar, dass wir Kameras, einen Tricktisch und Schneideplätze anschaffen wollten, an denen die Filme dann gemacht werden konnten.
Und das hat sich grundsätzlich geändert ?
Es gibt immer noch einige Leute, die an diese klassische Arbeitsweise gewöhnt sind. Das sind dann aber eher ältere Filmemacher, die schon sehr lange mit der Filmwerkstatt zusammenarbeiten. Wir haben auch Laptops mit Schnittprogrammen, die man bei uns ausleihen kann. Wir haben natürlich gute Kameras, vor allem aber sehr gute Möglichkeiten zur Tonaufnahme, denn viele kaufen sich eine Kamera und merken erst später, dass ihnen für einen guten Ton etwas fehlt.
Welchen Umfang hat diese praktische Hilfe ?
Wir haben so um die hundert Projekte im Jahr, für die wir Material verleihen. Oft verleihen wir an Studenten und freie Gruppen und das ist dann, als würden wir Angelhaken auswerfen. Denn wenn die sich weiterentwickeln und Talent zeigen, landen sie irgendwann auch bei uns in der Förderung.
Wie fördern Sie den Nachwuchs noch?
Mit Seminaren und Workshops. Aber das machen wir nicht regelmäßig, sondern schauen, was gerade interessant ist. Unser letzter Workshop, den wir mit der Fachhochschule Kiel zusammen gemacht haben, war zum Thema Webserien. Als nächstes planen wir mal wieder ein Schnittseminar.
Für die kulturelle Filmförderung war ursprünglich das Filmbüro Lübeck zuständig. Wieso hat die Filmwerkstatt diese Aufgabe übernommen?
Weil alles teurer wurde, hat der Verein, der die Förderung umsetzt, beschlossen, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, zwei Büros zu unterhalten, die aus dem gleichen Topf gespeist werden und im Grunde das Gleiche machen. Das war so um das Jahr 2000 herum. Kiel hat sich gegen Lübeck durchgesetzt und wir haben deren Bereiche übernommen.
2007 fusionierten dann alle Filmförderungen in Hamburg und Schleswig-Holstein. Hat die Filmwerkstatt dadurch ihre Unabhängigkeit eingebüßt?
Wir sind eine Abteilung der GmbH, und ich bin der Leiter. Für alles verantwortlich ist die Geschäftsführerin, aber die Entscheidungen über Förderungen werden von einem dreiköpfigen Gremium getroffen, zu dem ich gehöre.
Und woher kommt das Geld?
Das sind Mittel aus dem Medienstaatsvertrag, also Gebührengelder.
Wie viele Projekte werden zurzeit von der Filmwerkstatt gefördert ?
Wir fördern um die vierzig Projekte im Jahr und dabei gibt es drei Kategorien. Das ist die klassische Projektförderung, mit der die Produktion bezahlt wird, es gibt Recherche- oder Projektvorbereitungsförderung und es gibt die Vertriebs- und Verleihförderung.
Kann auch einer alle drei erhalten?
46, studierte in Deutschland und England Film, war als Drehbuchautor tätig und bildete sich an der Leibniz-Uni Hannover zum Kulturmanager fort. Seit 2013 arbeitet er für die Filmförderung Hamburg/Schleswig-Holstein und leitet neben dem Filmfest Schleswig-Holstein die Filmwerkstatt Kiel.
Theoretisch ist das möglich, aber man kann nur maximal 50 Prozent der Gesamtkosten von uns bekommen. So gibt es viele Projekte, die auch noch aus anderen Töpfen finanziert werden.
Wie groß sind die Töpfe der Filmwerkstatt?
Wenn Du von uns 20.000 Euro kriegst, ist das schon sehr viel. Wir können pro Jahr so um die 250.000 Euro vergeben, davon sind schon 48.000 fest gebunden für die Filmfestivals, die wir auch noch fördern.
Und wer hat da mit welcher Art von Projekt eine Chance?
Wir haben einen sehr weit gefassten Begriff davon, was wir gern fördern wollen. Bei uns muss man nicht in Schleswig-Holstein geboren sein oder hier wohnen. Es reicht ein kultureller Bezug zum Land. In unseren Richtlinien steht auch nicht Film und Fernsehen, sondern Medienproduktionen. Deswegen können wir auch so schöne Dinge fördern, wie eine filmische Installation in einer Galerie oder Mischformen, die dann nicht im Kino, sondern im Internet landen.
Was sind denn Ihre liebsten Projekte?
Da gibt es zum Beispiel “Land Rush“ von den Hamburger Fotografen und Filmemachern Frauke Huber und Uwe H. Martin. Das ist eine Arbeit, die im Kino und in Galerien gezeigt wird, aber auch eine App und eine Webseite hat. Das Projekt setzt sich mit der Tatsache auseinander, dass auf der ganzen Welt immer mehr Land von großen Firmen-Konglomeraten aufgekauft wird. Und ich mag auch die Musical-Webserie mit dem schönen Titel „Das tote Pferd von Plön“. Das ist ganz schräger Kram von ein paar jungen Leuten aus Malente.
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