Geht’s noch?: Nicht-handgemacht-Siegel
Die Grünen fordern eine Kennzeichnungspflicht für Social Bots. Bullshit-Bingo zwischen Hysterie und Handlungssimulation
Die Grünen forderten in dieser Woche eine Kennzeichnungspflicht für Social Bots. Für Programme also, die in sozialen Medien vorgaukeln, reale Personen zu sein und als solche posten – auch Politisches. Ein ähnlich beliebtes Thema, wie die schwammigen Fake News. Beides: schlimm. Vergiftetes Diskussionsklima. Drohende Manipulation im Wahlkampf. Alarm. Nur: Egal ob Häkchen oder „Dieser Post ist nicht handgemacht“-Button – Kennzeichnen mag bei Lebensmitteln funktionieren, aber in Sozialen Netzwerken? Zum einen ist unklar, wie groß das Bedrohungspotenzial ist. Ja, es gab konzertierte Social-Bot-Aktionen, bei denen politische Themen und Hashtags aufgegriffen wurden. Das waren wenige. Belege für eine tatsächliche Einflussnahme finden sich kaum. Hinzu kommt: Forscher identifizieren Social Bots primär auf Twitter, weniger auf Facebook – was auch technische Gründe hat. Twitter allerdings ist in Deutschland nicht sehr verbreitet. Der Einfluss auf die Meinungsbildung von Wählern wäre also ohnehin gering. Es sei denn, man kritisiert, dass Medien aus sozialen Netzwerken öffentliche Meinungstrends extrapolieren. Das ist allerdings kein Problem, das man über Kennzeichnung löst.
Hinter der Furcht vor Social Bots scheint außerdem ein sehr pessimistisches Bild des Wählers zu stehen: Meinungsmanipulation funktioniert doch nicht so, dass einem ein paar Eierköpfe Parolen, Hashtags oder Lügen durch Timeline und Feed pusten und schon ändert man seine politische Haltung!
Unklar ist auch, wie eine Kennzeichungspflicht funktionieren soll. Kurz zur Erinnerung: Social Bots sind gerade solche Bots, die sich als menschliche Akteure zu tarnen versuchen. Aufgesetzt und gesteuert werden können sie von überall auf der Welt. Der Arm eines deutschen Gesetzes könnte da mal wieder zu kurz sein. Und wie erkennt man einen Social Bot? Indem man ihre Betreiber bittet, ihre Programme zu kennzeichnen? Warum sollten sie? Oder soll die Plattform das übernehmen – die dann auch zu Unrecht reale Nutzer beflaggt?
Social Bots zu kennzeichnen kratzt an der Oberfläche. Der Vertrauensverlust in Medien und Politik liegt tiefer, ihn zu bekämpfen ist komplizierter und wird sehr viel mehr Aufwand erfordern. Meike Laaff
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