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Überzeugung zähltKOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Dresden ist völlig egal, und dennoch starren alle darauf. Das Ergebnis der Nachwahl wird an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag nichts Wesentliches mehr ändern. Trotzdem ist die Bedeutung angemessen, die vor allem die so genannten Volksparteien dem Urnengang einräumen. Diese Bedeutung liegt nämlich nicht in erster Linie im Konkreten, sondern im Atmosphärischen.

Wenn von dieser Nachwahl überhaupt eine Signalwirkung ausgehen kann, dann diese: Am sinnvollsten ist es immer noch, wenn Leute nicht strategisch wählen, sondern entsprechend ihren Überzeugungen. In Dresden wird über das abgestimmt, was innerhalb eines annähernd gleichgewichtigen Machtgefüges zwischen den großen Lagern das Wichtigste schlechthin ist. Nämlich über Unterstützung für die eine oder die andere Seite. Worüber hingegen nicht abgestimmt wird: wie die große Linie der Politik aussehen soll und wer der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin sein wird.

In dieser Begrenzung der Möglichkeiten liegt sowohl das ermutigende wie auch das bedrückende Signal dieser Nachwahl. Man kann es deprimierend finden, dass die nächste Regierung nicht auf die eigene Stimme angewiesen ist, um eine Mehrheit im Parlament zu haben. Das wird sich auch am Sonntag nicht verändern lassen. Trotz oder vielleicht gerade wegen derjenigen, die meinen, taktisch wählen zu müssen. Ob es klüger wäre, einer Partei die Stimme zu geben, die man gar nicht leiden kann, nur um der eigenen Seite eine zusätzliches Überhangmandat zu verschaffen oder um genau das zu verhindern: Die Erfolgsaussichten einer solchen Strategie sind nur noch von Mathematikern zu berechnen. Nicht von den Wählerinnen und Wählern.

Die können am Sonntag eigentlich nur genau das tun, was ihre Aufgabe ist. Nämlich denjenigen Rückwind zu verschaffen, die ihre Anliegen aus ihrer Sicht am besten vertreten. Wer Angela Merkel als Kanzlerin will, sollte CDU wählen. Wer das nicht will, sollte einer anderen Partei die Stimme geben. Das hört sich sehr simpel an, ist aber in der konkreten Lage vor allem eines: eine demokratische Stimmabgabe. Und als solche sehr wichtig. Und – atmosphärisch – folgenreich.

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