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Eintrachtler jammern nicht

bundesliga Überraschend klar endete das Duell der Überraschungsteams der Hinrunde: 3:0 für RB Leipzig. Aber die Verlierer aus Frankfurt zeigen, wie man unaufgeregt mit einer Niederlage umgehen kann

Aus Leipzig Martin Henkel

Normalerweise heißt es für die Nachbetrachtung, auf einen etwas mürrischen Pleite-Trainer und einen gutgelaunten Sieger-Coach zu treffen. Doch nach der 0:3-Niederlage von Eintracht Frankfurt am Samstagabend bei RB Leipzig hielten sich Nico Kovac und Ralph Hasenhüttl nicht an das angedachte Skript.

Draußen surrte der Motor des Shuttle-Busses. Der Abflug der Frankfurter war nah ans Spiel­ende verlegt worden. Nico ­Kovac hätte die Niederlage also kurz analysieren können und dann nichts wie weg aus dem bitterfrostigen Leipzig. Aber Kovac ging nicht. Er beschrieb kurz, was sich aus seiner Per­spek­tive zugetragen hatte. Und wartete dann auf Gegenfragen. Eine, zwei – mehr nicht? Kovac schaute sich um.

Es war eine denkwürdige Stimmung in der Arena nach Schlusspfiff einer Partie, die alle zuvor für die spannendste des Spieltages gehalten hatten. RB war vor Anpfiff Tabellenzweiter gewesen, Frankfurt Vierter. Doch dann, kaum angepfiffen, war das Spiel auch schon vorbei. Um 18.35 Uhr wusste zumindest jeder der 43.000 Fans, dass hier für die Gäste nicht mehr viel gehen wird. Soeben hatte Innenverteidiger Marvin Compper nach einem Freistoß von Marcel Halstenberg das 1:0 abgestaubt.

Vorausgegangen war dem Standard ein Slapstick, den man im deutschen Fußball nicht alle Tage zu Gesicht bekommt. Keeper Lukas Hradecky hatte sich beim ersten Leipziger Gegenstoß im Laufduell mit Rechtsverteidiger Bernardo behände auf den Ball gestürzt. Allerdings außerhalb des Strafraums. Der 27-Jährige war zuvor ausgerutscht und lag kopfüber vor zwei Optionen: Finger weg und Bernardo das Tor schießen lassen. Oder zugreifen.

Er griff zu, Schiedsrichter Deniz Aytekin zeigte ihm Rot, im Anschluss fiel das 1:0. Spiel vorbei, jedenfalls so gut wie. Immerhin zwei Chancen hatte die Eintracht Mitte der ersten Halbzeit noch, wenigstens remis zu spielen. Eine gute Viertelstunde später fiel das 0:2. Stürmer Timo Werner scheitelte einen Freistoß von Naby Keita ins lange Eck (45.), es war sein zehnter Saisontreffer.

Da war es um Frankfurt wirklich geschehen. In der 67. Minute wurde es dann amtlich. Jesus Vallejo rutschte in einen Schuss von Halstenberg – und mit dem Ball in die Maschen.

Deshalb gab es auch so wenige Nachfragen. Weil keine Ursachenforschung betrieben werden musste. Kovac hatte es in seiner Zusammenfassung ja selbst gesagt. „Das Spiel zu analysieren“, so der Kroate, „ist recht einfach: Wenn man nach vier Minuten einen Spieler mit einer Roten Karte verliert, dann hat man in Leipzig eine schwierige Situation. Wir haben danach keine Chance gehabt. Wir haken das Spiel ab.“

Es war erstaunlich, wie gelassen die Frankfurter mit der vielleicht vermeidbaren Niederlagen bei einem direkten Konkurrenten um die Europapokalplätze umgingen.

Und auch das passte so gar nicht ins Skript. Eintrachts Sportvorstand Fredi Bobic erklärte, das 0:3 sei keine „Vollkatastrophe“ und bescheinigte dem Team, „alles gegeben“ zu haben. Der Vorstand Sport bereitete Hradecky damit einen erstaunlich heiteren Weg vor die Presse. Der Finne meinte, es täte ihm der Fauxpas leid. „Ich habe mich bei allen entschuldigt.“ Und wenn er sich noch mal entscheiden könnte, dann anders. Natürlich. „Ich würde den Ball durchlassen.“ Aber er stand vor der Wahl, als Bernardo herangeschossen kam. „Als Tormann“, so Hrdaecky, „kann ich den Ball nicht reinlassen. Also hab’ ich zugepackt.“

Kein Vorwurf. Kein Bedauern. Kein Klagen. Mit aufrechter Haltung fuhr der Eintracht-Tross davon, während Ralph Hasenhüttl seine Sicht auf die Dinge preisgab. Mit Spannung war dieser erste Auftritt der Aufsteiger nach dem 0:3 gegen die Bayern und der Winterpause erwartet worden. Wie würden die Neulinge mit der Konstellation fertig werden, den Branchenführer zu jagen und selbst von den Etablierten gejagt zu werden? Und das in den ersten drei Partien ohne den Rot-gesperrten Taktgeber Emil Forsberg. Das Spiel gegen Frankfurt sollte eine erste Antwort geben.

Aber so? Hasenhüttl war alles in allem zufrieden mit dem Auftritt seines Kaders. In einer Woche wisse man mehr, sagte Hasenhüttl. Dann kommt die ungeschlagene TSG zum ersten Rückspiel der Saison zu Besuch. Wie schnell sich die Welt doch drehen kann. Vor dem Spiel in Hoffenheim vor fünf Monaten hieß es bei RB: Wir wollen mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Das haben sie seit Samstagabend rechnerisch erreicht. Aber es nahm niemand Notiz davon.

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