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Empfindungen eines Gangstas

RAPPER In seinem eigenen Film kann auch ein Getto-Kid empfindsam sein: Kendrick Lamars kluges und einleuchtendes Album „good kid, m.A.A.d city“

VON FATMA AYDEMIR

Dass gerade jetzt ein Gangsta-Rap-Album groß promotet wird, es ausgerechnet aus Compton, Los Angeles, kommt und dann auch noch die Musikkritiker rund um den Globus fast einstimmig überzeugt, grenzt an ein Wunder. Denn was in diesem Jahr mit dem Erfolg von Frank Ocean seinen Höhepunkt erreicht hat, schien wie die endgültige Abkehr vom hypermaskulinen Macho-Protagonisten in der afroamerikanischen Musik.

Nun aber kommt der 25-jährige Kendrick Lamar mit eigenen Geschichten aus Compton und schafft es, dem Gangsta-Rap-Genre neues Leben einzuhauchen. Rein musikalisch erfindet Lamar auf seinem Major-Debüt „good kid, m.A.A.d city“ den Gangsta-Rap nicht neu. Er setzt auf nostalgische Sample-Beats, tiefe Bässe und lässt nur hier und da mal einen Einfluss von der neuen schwarzen Elektronika-Szene um Flying Lotus durchblicken. Das Album will sehr deutlich an eine Tradition anknüpfen, die sich Mitte der achtziger Jahre in US-Gettos wie Compton formierte. Doch weist die Perspektive, die Lamar darin einnimmt, weit über die seiner Idole hinaus.

Themen wie Drogen, Gewalt und Sex werden auch bei Kendrick Lamar nicht ausgespart. Doch gibt Lamar die Probleme seiner Heimatstadt – deren Mordrate wegen anhaltender Bandenkriege um ein Achtfaches über dem Landesdurchschnitt liegt – nicht einfach nur zum tausendsten Mal wieder. Lamar hat das nötige psychologische Feingefühl, den Stoff aufs Äußerste zu reduzieren, so dass im Zentrum seiner Stücke immer ein Allzumenschliches steht, das sich auch außerhalb von Compton nachempfinden lässt.

Das Lied „The Art of Peer Pressure“ spricht von der Selbstverständlichkeit, mit der der Einzelne seiner Clique Gehorsam leistet und Dinge tut, die er als Individuum mehr als bedenklich findet. In „good kid“, einem der stärksten Stücke, geht es wiederum um die zugeschriebene Rolle vonseiten der Gesellschaft, die man als schwarzer Mann aus bescheidenen Verhältnissen im sozialen Brennpunkt nicht einfach aus der freien Willenskraft heraus ablegen kann. Doch gleichzeitig empfindet er auch die Flucht in diese Rolle als zu simpel, ist doch das Gettobewusstsein, so Lamar, nicht mehr als eine Massenhalluzination, die sich eben dort am besten durchsetzt, wo die Bildung versagt.

Das Bild des schwachen Sünders, die Erschöpfung vom Widerstand, die allgegenwärtige Angst vor dem Tod: Motive, die auf Lamars Album immer wieder auftauchen, unterstreichen ihre narrative Einheit. Nicht umsonst lautet der Album-Untertitel „A Short Film by Kendrick Lamar“. Und in diesem Film kommt der Gangster eben nicht erst am Ende zur Einsicht seiner Fehler. Eigentlich war der Gangster nie so zerbrechlich wie auf „good kid, m.A.A.d city“. Wirklich konträr verhält sich Kendrick Lamar zum neuen Bild des empfindsamen afroamerikanischen Mannes dann letztlich doch nicht.

■ Kendrick Lamar, „good kid, m.A.A.d city“ (Interscope/Universal)

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