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Zwischen Dream-Pop und morastigem Metal

Jubiläumsalbum Die Berliner Band Nadja zeichnen noisig-novembriger Gitarrensound, Repetition und Langsamkeit aus

Stile der Pop-Musik brauchen Namen. „Dreamsludge“ wäre ein besonders schöner für den Sound der Berliner Band Nadja. Aidan Baker, der die Band 2003 ins Leben gerufen hat, sagte in einem Interview, jemand hätte diese Bezeichnung mal im Zusammenhang mit seiner Gruppe aufgeworfen. Den Genrebegriff Sludge („Schlamm“) hat man einst für Schmuddelkinder des Metal wie Eyehategod erfunden – für Nadja würde nun gelten, dass sie irgendwo zwischen Dream-Pop und morastigem Metal changierten.

Diese Beschreibung passt durchaus für die seit einiger Zeit in Berlin weilende kanadische Band, denn sie lassen es so krachen, dass man dabei schön abschweifen kann. In der experimentellen Musikszene haben sich Nadja dabei schon international einen Namen gemacht – sie sind auf vielen renommierten Festivals wie dem kanadischen Mutek und dem US-amerikanischen South By Southwest aufgetreten. In Berlin war das Duo, die neben Baker aus Bassistin und Sängerin Leah Buckareff besteht, im Kontext des CTM Festivals zu sehen.

Die veröffentlichungsfreudige Band hat Anfang November mit „The Stone Is Not Hit By The Sun, Nor Carved With A Knife“ bereits das 20. volle Album vorgelegt – ein paar Split-Releases kommen noch dazu (viele ihrer Veröffentlichungen sind übrigens auf ihrer Bandcamp-Seite kostenfrei zu hören). Nadjas Jubiläumsalbum zeigt nun sehr gut, was diese Band auszeichnet: noisig-novembriger Gitarrensound, lautes, mäanderndes Gewummere, Repetition, Langsamkeit. Entsprechend haben die drei Stücke mit 22, 35 und 22 Minuten jeweils epische Länge.

Beeinflusst sind Baker und Buckareff, die sich 2001 in einem Buchladen in ihrer Heimatstadt Toronto über den Weg liefen und heute auch verheiratet sind, von so unterschiedlichen Bands wie My Bloody Valentine, den Swans oder Godflesh. Während Buckareff von klein auf Geige spielte, lernte der aus einer Musikerfamilie stammende Baker im Jugendalter, Klavier, Flöte, Gitarre und Schlagzeug zu spielen. Nadja war zunächst ein Soloprojekt des heute 42-jährigen Multiinstrumentalisten mit dem krauseligen langen Bart – 2005 kam Buckareff als Bassistin, Violinistin und Sängerin dazu. Der Bandname referiert einerseits auf den gleichnamigen Roman André Bretons – und wenn man das Wort von hinten liest, kommt Bakers Vorname dabei heraus.

Live ist ihre Musik, besonders in Berlin, sehr gefragt

„The Stone Is Not Hit By The Sun, Nor Carved With A Knife“ ist, wenn man so will, eine Meditation über einen Grabstein. Der Titel ist der Inschrift eines Gedenksteins in Island entnommen – der Aphorismus gibt für die einzelnen Songs die Motive vor („The Stone“, „The Sun“, „A Knife“ heißen sie entsprechend). Und die Stücke wirken auch musikalisch wie Betrachtungen. Da wäre zunächst ein rhythmischer, mit Staccato-Elementen versehener Eingangstrack, dann ein wuchtiger, stählern klingender Song, der sich fast eine Fußball-Halbzeit lang hinzieht – und abschließend gibt es Ambient-artige Klänge. Mit den wohl bekanntesten Vertretern des Genres – Sunn o))) – haben Nadja dabei zum Teil die Gitarrenwände gemein; im Vergleich zu jenen aber orientiert sich der Sound deutlich weniger am klassischen Metal. Nadja setzen zudem etwas mehr auf Rhythmik, wo Sunn o))) häufig das pure Klingen von Gitarre und Gesang bevorzugen.

Live ist solche Musik, insbesondere in Berlin, sehr gefragt, wie man immer wieder bei gut besuchten Konzerten sehen kann – Nadja sind zum Beispiel fast schon Stammgäste im Urban Spree, einem der inzwischen wichtigsten Orte für derlei Experimentelles. Aber das kanadische Duo zeigt mit den drei Drone-Variationen eben auch, dass diese Klänge aus der Konserve sehr gut funktionieren können. Jens Uthoff

Nadja: „The Stone Is Not Hit By The Sun, Nor Carved With A Knife“ (Gizeh Records/Kompakt) – nadja.bandcamp.com

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