: Ein Pünktchen als Erfolgserlebnis
Fortschritt Gegen den 1. FC Köln hat Werder Bremen gezeigt, dass es inzwischen auch gegen bessereGegner bestehen kann. Vom Gegner können die Bremer lernen, wie wichtig ein eingespieltes Team ist
von Ralf Lorenzen
Vorbei sind die Zeiten, da Sportreporter nach Bundesligaspielen mühsam die Taktik und das System der Mannschaften entziffern und analysieren mussten. Heute erledigen das Spieler und Trainer direkt nach dem Abpfiff selbst und die Berichterstatter brauchen nur noch an den richtigen Stellen mitzuschreiben. „Köln hat das Spiel dominiert und wir hatten Probleme mit ihrer Taktik“, sagte am Samstag nach dem 1:1 von Werder Bremen gegen den 1. FC Köln Werders Torschütze Serge Gnabry über die Kräfteverteilung in der ersten Halbzeit. „Wir sind erst nach den taktischen Umstellungen in der Halbzeit richtig ins Spiel gekommen. Bis dato hatten es unsere Sechser immer mit drei Gegenspielern zu tun.“
Gnabrys Mitspieler Niklas Moisander fasste die Beobachtungen in das passende Zahlenwerk: „Sie haben uns mit Ihrem 3-5-2 überrascht.“ Die Kombination besagt, dass eine Mannschaft fünf Spieler ins Mittelfeld stellt, um dort die Räume für den Gegner besonders eng zu machen – auf Kosten einer zusätzlichen Absicherung in der Abwehr. So verpuffte Werders in den letzten Spielen gewachsene Offensivkraft anfangs komplett. Die spielstarken Max Kruse, Claudio Pizarro und Gnabry hingen vorne meist in der Luft, weil sich ihre Zulieferer aus dem Mittelfeld in der gegnerischen Übermacht verfingen.
Spielerischer Fortschritt
Nach zwei überzeugenden Siegen und der Chance, noch vor Weihnachten Anschluss ans Tabellenmittelfeld zu bekommen, wirkt dieser Punkt zunächst etwas mickrig. Es gibt dennoch Gründe, das Spiel als weiteren Fortschritt einzuordnen. Am Anfang der Saison reagierte die Mannschaft auf gegnerische Dominanz meist noch damit, hohe Bälle nach vorne zu schlagen, um die Stürmer irgendwie ins Spiel zu bringen. Mittlerweile beharrt sie auf spielerische Lösungen und hat einen Trainer, der sie mit taktischer Flexibilität dabei unterstützt, diese auch zu finden.
Alexander Nouri beorderte in der zweiten Halbzeit ebenfalls einen weiteren Spieler ins Mittelfeld „um dort für klarere Zuordnungen zu sorgen“. Sofort erarbeiten sich seine Spieler Überzahlsituationen, die zu guten Chancen führten. Außerdem ist die bislang anfälligste Abwehr der Bundesliga mittlerweile so stabil, dass sie auch gegen einen überlegenen Gegner, wie es die Kölner in der ersten Halbzeit waren, wenig Chancen zulassen. Die erste nutzte Artjoms Rudnevs dann allerdings gleich in der 28. Minute zur Führung, die Gnabry noch vor der Pause durch eine Einzelaktion ausglich.
Der Gegner als Vorbild
Insgesamt sprachen fast alle nach dem Spiel aufgrund der Leistungssteigerung der Bremer von einem gerechten Ergebnis. Dabei boten die von den ökonomischen Rahmenbedingungen her ähnlich aufgestellten Kölner den Bremern jede Menge Anschauungsmaterial dafür, wie ihr nächster Entwicklungsschritt aussehen könnte: Von einem Team mit funktionierenden Mannschaftsteilen und einem Gesamtorganismus, in dem jeder die Lauf- und Passwege der anderen kennt.
Das Beispiel der Kölner zeigt eindrucksvoll, dass es möglich ist, auch ohne Einnahmen aus der Champions League eine Mannschaft aufzubauen, die um den Einzug in die europäischen Wettbewerbe mitspielen kann. Der Architekt dieser Mannschaft, Peter Stöger, war 2013 auch als Nachfolger von Thomas Schaaf in Bremen im Gespräch, bevor er nach Köln ging.
Auf Werder warten in den nächsten Wochen nun – unterbrochen vom Januar-Trainingslager in Andalusien – mit Hoffenheim, Dortmund und München nacheinander drei noch dickere Brocken, gegen die jeder Punkt ein Erfolg wäre.
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