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„Das hat etwas Episches“

„Auch die Aldi-Kasse ist als Setting möglich“: Petra Bodenbach, Hauptautorin der neuen ZDF-Telenovela „Julia – Wege zum Glück“ (Do. 16.15 Uhr), über Grenzen und Perspektiven des Formats

INTERVIEW HANNAH PILARCZYK

taz: Frau Bodenbach, schaut man sich die aktuellen Telenovelas im deutschen Fernsehen an, hat man das Gefühl, es gebe ein starres Gerüst, nach dem sie aufgebaut sind. Held und Heldin verlieben sich stürmisch, aber zunächst unglücklich, weil es ja stets noch die große Intrige gibt und der Held immer schon mit der falschen Frau verlobt ist. Wie viel Freiraum lässt einem das Format als Autorin?

Petra Bodenbach: Das Format gibt einige Elemente vor, zum Beispiel Melodramatik und die große Liebesgeschichte. Dazu erfindet man dann Charaktere, die das bedienen können. Das Erstaunliche ist, wenn man anfängt zu schreiben – und dann auch noch diese unglaubliche Masse an Szenen und Dialogen schreiben muss – , dass die Figuren eine Art Eigenleben entwickeln. Man kann dann gar keine Register mehr ziehen, sondern denkt: Die Figur kann das jetzt nicht tun, die Geschichte kann nicht in diese Richtung laufen, weil es sich nicht richtig anfühlt. Irgendwann haben einen die Charaktere viel mehr im Griff als man sie selber.

Aber Telenovelas sind vor allem Wohlfühlfernsehen. Da müssen Sie doch ein Mindestmaß an Romantik und heiler Welt garantieren.

Der Erfolg der Telenovelas ist ein klares Signal des Zuschauers. Er will das romantische Wohlfühlfernsehen. Und er hat im Moment auch genug vom Reality-TV, seien es Gerichtshows oder Doku-Soaps. Der Zuschauer wünscht sich heile Welt – und das bedienen wir.

„Julia“ ist 250 Folgen lang. Gibt es da einen Schreibweg zum Glück – nach 50 Folgen muss das große Drama da sein, nach 20 wieder die große Liebe greifbar werden?

Letzten Endes kann man eine Telenovela so erzählen wie einen klassischen Spielfilm: Anfang, Mitte, Ende. Die großen Wendepunkte sind allerdings schon fest gesetzt, bevor man anfängt zu schreiben. Man weiß, wann sich was in welche Richtung entwickeln soll. Aber man bemüht sich natürlich, den Zuschauer zu überraschen. Das ist bei jedem Erzählformat gleich.

Steht also fest, dass sich Held und Heldin in Folge 167 vorübergehend wieder annähern?

Wir haben schon eine klare Struktur. Die ändert sich aber auch, wenn wir merken, dass sich etwas Schönes entwickelt hat. Dann nehmen wir uns drei, vier Folgen Zeit, um es noch auszuerzählen. Das hat dann auch etwas Episches, groß Ausholendes. In einer normalen Serie oder einem Spielfilm müsste man das in zwei, drei Szenen darstellen.

Sie stehen einem 14-köpfigen Autorenteam vor. Wie arbeiten Sie zusammen?

Wir haben drei große Arbeitsschritte, die im Laufe einer Woche gemacht werden müssen. Als Erstes kümmern wir uns um die große Vorplanung: Welche Geschichten haben wir? Wie teilen wir unsere Charaktere, unser Ensemble auf? Dabei müssen wir ständig mitdenken, ob das, was wir uns da ausdenken, auch verfilmbar ist. Dafür gibt es eine sehr genaue Vorgabe, wie viele Szenen überhaupt möglich sind und welche im Studio und welche draußen gedreht werden können. Dann machen wir uns daran, die Szenen auszuformulieren. Und zuletzt setzen wir uns an die Dialoge. Diese drei Arbeitsschritte laufen bei normalen Serien hintereinander ab, bei uns aufgrund der besonderen Produktionsbedingungen aber parallel. Bei uns sind zurzeit fünfzehn Folgen gleichzeitig in Arbeit. Da bei uns die Folgen aufeinander aufbauen, erfordert das ein Höchstmaß an Kommunikation, damit nichts vergessen, aber auch nichts vorweggenommen wird. Das ist ein ziemliches Gewusel, aber es funktioniert.

Warum ist die Heldin eigentlich immer, was Job und Geld betrifft, dem Helden unterlegen? Sie muss sich stets erst durch harte Arbeit auf seine Augenhöhe hocharbeiten.

Man kann es auch so sehen, dass die Heldin eine Frau ist, die selbstständig für sich sorgt, die eigentlich keinen Mann braucht. Für eine Märchenwelt, wie wir sie schaffen, finde ich das toll, wenn wir dort eine Frau haben, die ihren Job gerne macht.

Das erscheint 2005 nicht gerade revolutionär.

Aber wir machen doch ein romantisches Format. Dass bei uns die Frau nicht auf den Mann wartet, finde ich für ein Märchen nicht schlecht.

Studien zeigen, dass sich der sozioökonomische Status von Partnern immer mehr angleicht. Wie stark können Telenovelas solche Entwicklungen ignorieren?

Wir nehmen einfach die stärksten und erzählintensivsten Konflikte und spitzen diese nochmals zu. Die Konstellation einer armen Heldin und eines reichen Helds bedient das – zwei Menschen aus völlig unterschiedlichen Welten, die sich erst einmal finden müssen.

Könnten Sie sich eine Telenovela mit einer allein erziehenden Mutter in der Hauptrolle vorstellen?

Ja, absolut. Ich bin auch sicher, dass, wenn sich das Genre hier etabliert hat, es diese Geschichten geben wird. Das Schöne an diesem Format ist ja, dass man eine Geschichte zu Ende erzählt – und dann gleich mit der nächsten anfangen kann. Das nächste Mal kann man dann eben eine allein erziehende Mutter platzieren und trotzdem eine melodramatische und spannende Liebesgeschichte erzählen. Wenn man sich Südamerika, wo die Telenovelas herkommen, anschaut: Die machen alles Mögliche, auch Sozialdramen oder Fantasy.

Wo sehen Sie die größten Unterschiede zu südamerikanischen Telenovelas?

In Südamerika ist Religion ein bestimmendes Thema. Also katholische Religion. Das kann man hier nicht erzählen, dafür fehlt im Mutterland der Reformation einfach die Basis.

Gibt es in Deutschland ein Stellvertreterthema für die Religion?

Nein, ich glaube, dass in Deutschland ganz viele verschiedene Themen nebeneinander bestehen werden. Wenn sich jemand des Erzählrahmens einer Telenovela annimmt, dann kann er alles erzählen und es auch überall spielen lassen – auch bei Aldi an der Kasse.

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