Kommentar Googles selbstfahrendes Auto: Master of halbe Sachen
Google lässt die Zukunft hängen. Die zuständige Tochterfirma will offenbar keine eigenen selbstfahrenden Autos mehr entwickeln.
E cht jetzt, Google? Schon wieder? Jahrelang haben sich alle die Köpfe heiß geredet, über das selbst fahrende Auto, das ihr da plant. Bauchgefühl-Skepsis gegen die Sicherheit der Statistik. Sodom und Gomorrha. Und jetzt zieht ihr den Schwanz ein?
Genauer gesagt: Waymo, die neue Firma, die für Euren Mutterkonzern Alphabet an selbstfahrenden Autos forscht. Die nämlich will laut Medienberichten gar keine eigenen autonomen Fahrzeuge mehr entwickeln.
Bei Google Glass habt Ihr auch schon so einen PR-Stunt hingelegt, die Datenbrillen rauf und runter diskutieren lassen: wütende Datenschützer, entzückte Gadget-Geeks, die von der Realität der Brille schnell ernüchtert waren, die gesellschaftliche Frage nach der Verantwortung für die Privatsphäre der anderen und dann plötzlich: Schluss mit Google Glass, abgeräumt, nach ganz unten in die Entwicklerkiste.
Was soll das denn? Halbe Sachen machen – dafür braucht man kein Alphabet, das schaffen die meisten Menschen gut allein. Aus Fiction Science zu machen und vielleicht sogar Produkte – darin wart Ihr mal ganz gut, im Guten wie im Schlechten. Jetzt bläst Euer Mutterkonzern Kohle in seine Moonshot-Projekte, ohne dass jemals was bei rauskommt.
Ablenkungsmanöver
Ich meine: Was ist denn mit den verdammten Heißluftballons, die von der Stratosphäre aus Internet in die entlegensten Regionen bringen sollen? Was ist mit den Kontaktlinsen, über die Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel im Auge (haha) behalten können? Oder mit den Versuchen, mit Hilfe von Biotech Alterungsprozesse zu verlangsamen?
Sind das am Ende Ablenkungsmanöver von den wirklich heißen Entwicklungen und Probleme Eures Konzerns – Künstlicher Intelligenz, dem Internet der Dinge, Datenverknüpfung und -weitergabe? Paranoia, die in unsere Zeit passen würde.
Wobei die Realität wohl mal wieder banaler ist. Der Chefentwickler ist ausgebüxt, statt dessen leiten nun konservativere Autobranchen-Manager, die Mühen der Manufaktur, potentielle Zulassungs- und Entschädigungsprobleme – denkt man darüber nach, fällt jedem ein ganzer Sack von Gründen ein, warum Ihr Angst vor der eigenen Courage bekommt.
Zukunft braucht nicht nur Kohle, sondern auch Lust auf Zukunft. Und die scheint Ihr gerade zu verlieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Von wegen Untergang des Liberalismus
Wird der Wahlkampf eine nationale Katastrophe?