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Türkische Fußballliga SüperligRisikospiel endet mit Terroranschlag

Nach dem Sieg von Beşiktaş über Bursaspor explodieren Bomben. Ziel sind Polizisten, die wegen verfeindeter Fans verstärkt im Einsatz sind.

Feuerwehrleute auf dem Dach des Beşiktaş-Stadions Foto: ap

Andreas Beck sagt, er sei bereits zu Hause gewesen, als die Bomben hochgingen. Der deutsche Verteidiger hatte am Samstag mit Beşiktaş Istanbul 2:1 gegen Bursaspor gewonnen, ein wichtiger Erfolg für den Titelverteidiger und Tabellenzweiten der türkischen Süperlig, der sich mit einer bitteren 0:6-Niederlage bei Dinamo Kiew aus der Champions League verabschiedet hatte.

Als Beck jedoch am Samstagabend rund zwei Stunden nach dem Abpfiff des Bursa-Spiels zu Hause den Fernseher anmachte, sah er „fürchterliche Bilder“, wie er berichtet.

In der Nähe des Beşiktaş-Stadions, das direkt am Bosporus im gleichnamigen Stadtviertel auf der europäischen Seite der Metropole liegt, waren rund 90 Minuten nach Spielende zwei Bomben explodiert, die insgesamt 38 Menschen getötet und 155 verletzt haben.

Zunächst explodierte eine Autobombe in unmittelbarer Nähe des Stadions, bevor sich 45 Sekunden später im nahen Maçka-Park ein Selbstmordattentäter in einer Menge von Polizisten in die Luft sprengte.

Fußball im Fokus des Terrors

Beşiktaş gegen Bursa war ein Hochrisikospiel, zum ersten Mal seit Jahren durften überhaupt wieder Gästefans bei einer Begegnung der zwei verfeindeten Klubs ins Stadion. Entsprechend waren auch mehr Polizisten als gewöhnlich anwesend. Offenbar galt vor allem ihnen der Anschlag, unter den Toten sind 30 Polizisten.

„Ich bin erschüttert und sehr traurig. Meine Gedanken sind bei allen, die einen geliebten Menschen verloren haben. Und natürlich auch bei den Verletzten, denen ich von ganzem Herzen Besserung wünsche“, sagt Andreas Beck.

Auch Lukas Podolski vom Lokalrivalen Galatasaray drückte den Opfern sein Mitgefühl aus, er twitterte: „Mein Herz ist mit den Leuten, die von den Explosionen in meiner Stadt in Mitleidenschaft gezogen wurden.“ Erneut steht der Fußball in der Türkei im Fokus des Terrors.

Podolskis Galatasaray war Anfang März zweimal von Terroranschlägen betroffen: Bei einem Attentat in Ankara nach einem Spiel des Klubs bei Gençlerbirliği hatte eine Aktivistin der Splittergruppe „Freiheitsfalken Kurdistans“ eine Bombe zum Zünden gebracht und dadurch 37 Menschen getötet. Eines der Opfer war der Vater des damaligen Galatasaray-Profis Umut Bulut (jetzt Kayserispor).

Ausländische Stars verlassen die Türkei

Neun Tage danach wurde das Derby zwischen Galatasaray und Fenerbahçe abgesagt, weil angeblich die Terrorgruppe IS während der Partie ein Attentat geplant hatten. Zwei Tage zuvor hatte sich ein Selbstmordattentäter auf Istanbuls Flaniermeile İstiklâl Caddesi in die Luft gesprengt und vier Menschen mit in den Tod gerissen.

Im Sommer verließen einige ausländische Stars die Türkei und begründeten dies mit der unsicheren politischen Lage und der Terrorgefahr als Grund dafür an. Darunter war auch der deutsche Nationalspieler Mario Gomez, er wechselte von Beşiktaş zum VfL Wolfsburg. Die Lage im Land ist nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli noch angespannter.

Der deutschtürkische Fußballer Deniz Naki ist kurdischer Abstammung und widmete sein Siegtor beim Pokalsieg von Drittligist Amed SK gegen Bursaspor den „Opfern“ des türkisch-kurdischen Konflikts.

Naki wurde daraufhin wegen „unsportlichen Verhaltens“ für zwölf Spiele gesperrt, die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Verfahren wegen „Propaganda für die PKK“, das erst jüngst – wohl auch aufgrund von internationalem Druck – eingestellt wurde.

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