Die Wahrheit: Sportliche Verdienste
Die Fifa kümmert sich endlich um Steuervermeidung und -hinterziehung. Der FC Bayern ist mal wieder vorne mit dabei.
Die Sportwelt ist erschüttert. Die unfassbaren Enthüllungen, die unter dem Schlagwort „Football Leaks“ Karriere gemacht haben, lassen Fußballfans überall auf der Welt ratlos zurück. Ronaldo, Özil, Modric und all die anderen Edelkicker, die in den Dokumenten, die dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel vorliegen, vorkommen, spielen gar nicht aus Spaß an der Freude Fußball. Sie lassen sich ihre Künste auf dem grünen Rasen fürstlich entlohnen.
Ein Schock – nicht nur für all diejenigen, die dachten, dass allein beim Unklub RB Leipzig größere Summen bewegt werden. Was kaum einer für möglich gehalten hat, erwies sich als bittere Wahrheit: Fußballprofis sind gar keine Amateure.
Doch es kommt noch schlimmer. Die gehackten Dokumente zeigen, dass viele der reichsten Profifußballer, angeleitet von ihren Beratern und Anwälten, nichts unversucht lassen, das Geld, das sie verdienen, möglichst weiträumig an den Steuerbehörden vorbeizumanövrieren. Auch hier bricht für viele Menschen nicht nur in diesem Land eine Welt zusammen. Ausgerechnet die Reichen sind es, die versuchen Steuern zu vermeiden. Das war so nicht zu erwarten. Was ebenfalls nicht zu erwarten war, ist die Reaktion der Sportverbände auf die Enthüllungen.
Dabei ist vor allem das Tempo überraschend, in dem das Internationale Olympische Komitee (IOC) zusammen mit den Sportfachverbänden – allen voran der Fifa – auf die Enthüllungen aus den finsteren Untiefen des Weltsports reagiert haben. Innerhalb weniger Tage haben sie in Zusammenarbeit mit den für Sport zuständigen Ministerien der betroffenen Länder eine Agentur gegründet, deren Aufgabe es sein soll, sich um die Aufarbeitung und die Bestrafung von Steuervermeidung und -hinterziehung des Sports zu kümmern.
Unbequeme Entscheidungen
„Es geht um die Glaubwürdigkeit des Sports“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach am Rande des Gründungstreffens der Weltagentur für Steuerehrlichkeit im Sport (Wass), so der Name der Einrichtung, die sich als Ergänzung zur Weltantidopingagentur (Wada) dem Kampf für einen sauberen Sport verschrieben hat. „Was uns beim Antidopingkampf so gut gelungen ist“, so der ehemalige Fechter Bach, der als Wirtschaftsanwalt in der Welt des Geldes kein Fremder ist, weiter, „soll nun auf den Bereich der Steuerehrlichkeit ausgedehnt werden.“
Ähnlich hat es auch Fifa-Präsident Gianni Infantino ausgedrückt, der seinen Verband ganz besonders in der Verantwortung sieht. „Unsere Geschichte lehrt uns, in Fragen des Geldes ganz besonders genau hinzusehen.“ Mithilfe der Wass soll dies nun geschehen. Dabei schreckt die Fifa vor unbequemen Entscheidungen nicht zurück. „Vor dem Hintergrund all dessen, was wir heute über das Finanzgebaren von Mesut Özil wissen, kann es gut sein, dass wir Deutschland den Weltmeistertitel 2014 wieder aberkennen müssen“, so Infantino.
Wer für Deutschland auf den ersten Platz nachrückt, steht noch nicht fest. Deutschlands Finalgegner Argentinien hat dabei nicht die besten Karten. Nachdem Lionel Messi, Argentiniens Spielführer bei der WM in Brasilien, im Juli dieses Jahres wegen Steuerhinterziehung zu 21 Monaten Haft auf Bewährung sowie einer Geldstrafe in Höhe von 3,7 Millionen Euro verurteilt worden ist, dürfte ein Vorrücken auf Platz eins für die Albiceleste äußerst unwahrscheinlich sein.
Erste Ordner bereits geschreddert
Zurzeit sieht alles danach aus, als dürfte man sich in den Niederlanden über den ersten WM-Titel in der Geschichte des Landes freuen. Doch noch darf im Land des Europameisters von 1988 nicht gejubelt werden. Die Steuererklärungen aller Spieler und Betreuer sollen noch einmal geöffnet und getestet werden. Bis ins Jahr 2004 soll die Prüfung zurückreichen.
Beim DFB sieht man dem drohenden Verlust des WM-Titels naturgemäß mit Sorge entgegen. Verbandspräsident Reinhard Grindel ist sich dennoch sicher: „Das Sommermärchen von Brasilien wird uns keiner nehmen können, auch wenn uns der Titel aberkannt werden sollte.“ Der DFB stehe für sauberen Sport, so Grindel weiter, und er habe der Wass die volle Unterstützung bei der Überprüfung der Steuerunterlagen zugesichert. Erste Ordner seien bereits geschreddert worden.
Inwieweit der DFB die neuen Bestimmungen im Weltsport auch auf die Verbandsebene übertragen muss, steht noch nicht fest. Auch die DFL, der Zusammenschluss der Profiklubs in Deutschland, wartet diesbezüglich noch auf eine Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs Cas, der vom DFB in dieser Frage angerufen worden ist. Vor allem der FC Bayern München dürfte diese Entscheidung mit Spannung erwarten.
Uhren im Wert von 100.000 Euro
Uli Hoeneß ist bekanntlich 2015 zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er in den Jahren 2003 bis 2009 rund 28,5 Millionen Steuern hinterzogen hat. In dieser Zeit hat der FC Bayern vier nationale Titel gewonnen, die dem Klub nun wieder aberkannt werden könnten. Auch dass der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, Karl-Heinz Rummenigge, 2013 Uhren im Wert von 100.000 Euro aus Katar nach Deutschland schmuggeln wollte, könnte den Klub teuer zu stehen kommen. In diesem Jahr haben die Bayern die Champions League gewonnen.
Die Geschichte des deutschen und internationalen Fußballs muss wohl neu geschrieben werden.
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