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heute in Bremen„Verbot hilft nicht“

Kinderehe Das Nordwestradio diskutiert, ob Ehen mit Minderjährigen verboten werden sollen

Sahhanim Görgü-Philipp

45, Sozialpädagogin und Grünen-Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft.

taz: Frau Görgü-Philipp, sind Kinderehen gleich Zwangsehen?

Sahhanim Görgü-Philipp: Ehen mit mindestens einer minderjährigen Person sind nicht pauschal Zwangsehen. Das wäre in Deutschland ja auch verboten. Vereinzelt kommt das aber vor.

Leben nur Mädchen in Kinderehen?

Nein, auch Jungen. Meine Schätzung ist aber, dass etwa 80 Prozent der Minderjährigen in einer sogenannten Kinderehe weiblich sind.

Viele Medienberichte lesen sich so, als seien nur Geflüchtete von Kinderehen betroffen. Ist das so?

Kinderehen kommen überall vor, auch in Industrieländern.

Wie stehen Sie zur Kinderehe?

Wir als Partei, aber auch ich persönlich, lehnen Kinderehen ab. Ein pauschales Verbot wäre aber nur eine Scheinlösung. Wir wollen stattdessen über Ausnahmen im Einzelfall entscheiden.

Warum?

Nur so kann das Persönlichkeitsrecht gewährleistet und gleichzeitig sichergestellt werden, dass das Kindeswohl an erster Stelle steht. Wichtig ist auch, dass die Ehe freiwillig geschlossen wurde. Die Entscheidungskriterien von Jugendamt und Familiengericht müssen das sicherstellen.

Was halten Sie davon, im Ausland geschlossene Ehen in Deutschland aufzulösen?

Das hilft niemandem und würde bei den Minderjährigen zu großen Schäden führen. Sie würden ihre Bezugsperson verlieren, unter sozialen Nachteilen leiden und hätten zum Beispiel keinen Unterhaltsanspruch mehr. Das würde auch seit vielen Jahrzehnten Verheiratete betreffen, die als Minderjährige die Ehe geschlossen haben.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen Beratungsstellen und andere Hilfsangebote fördern, die Betroffene über eigene Rechte aufklären.

Interview: Lukas Thöle

18 Uhr, Bremische Bürgerschaft

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