piwik no script img

Australien vor Entziehungskur

GESUNDHEIT Die ersten Erfahrungen mit dem härtesten Anti-Tabak-Gesetz der Welt zeigen: Die neuen Schock-Packungen mit Fotos geschädigter Organe beeinflussen Raucher

Einige Raucher glauben, der Geschmack ihrer Zigaretten sei schlechter geworden

AUS SYDNEY URS WÄLTERLIN

Australien erschwert Rauchern den Appetit auf Glimmstängel. Seit Samstag dürfen Zigaretten nur noch in einfarbigen Packungen verkauft werden, auf denen Fotos geschädigter Organe zu sehen sind. Die Behörden erhoffen sich von den bislang weltweit strengsten Vorschriften, dass Raucher abgeschreckt werden. Und dass junge Menschen erst gar nicht mit dem Qualmen anfangen.

Im Oktober hatte Australien die Anti-Tabak-Gesetze gegen den erbitterten Widerstand der Industrie beschlossen. Danach dürfen Zigarettenschachteln seit dem 1. Dezember nur noch einfarbig in Grüngrau bedruckt werden, der Markenname erscheint zudem nur noch klein in dünner Schrift, nicht mehr als Logo.

Auf den Packungen muss zudem ein abschreckendes Foto zu sehen sein, auf dem die Folgen des Qualmens zu sehen sind: ein Krebstumor, eines erblindetes Auge, ein faulender Fuß. Ein weiteres Bild zeigt den zu einem Skelett abgemagerten Körper eines stark erkrankten Rauchers. Tabakfirmen, die sich nicht an die Packungsvorgaben halten, drohen hohe Strafen. Nach Angaben der Regierung sterben in Australien jährlich 15.000 Menschen an den Folgen des Rauchens.

Die meisten Einzelhändler hatten die neu gestalteten Packungen bereits seit Wochen im Angebot. So sammelten Gesundheitsforscher bereits erste Erfahrungen. Experten wie Ian Olver vom Cancer Council Australia zeigten sich am Wochenende erfreut darüber, dass die Methode der Abschreckung offenbar auch für langjährige Raucher funktioniert: „Ohne Werbung und Logo schmeckt vielen der Tabak mehr nach dem, was er ist: Gift.“

Die Regierung hatte eigentlich nur erwartet, dass die Schock-Verpackungen Jüngere davon abhalten werden, mit dem potenziell tödlichen Laster zu beginnen. Aber offenbar gibt es auch einen psychologischen Effekt: Einige Raucher melden nun, sie hätten das Gefühl, der Geschmack ihrer Zigaretten sei schlechter geworden. Dabei haben die Tabakfirmen ihre Rezepturen nicht verändert.

Experten sehen damit seit langem bekannte Erkenntnisse bestätigt, nach denen die visuelle Präsentation von Tabakprodukten ein entscheidender Aspekt für Raucher ist. Die Organisation Quit, die beim Aufgeben des Lasters hilft, meldet seit Wochen einen deutlichen Anstieg der Zahl der Anrufer, die um psychologische Unterstützung beim Entzug bitten.

Wer in Australien das Rauchen aufgibt, tut es nicht nur seiner Gesundheit zuliebe. Eine Schachtel Zigaretten kostet etwa 14 Euro. Die Tabakindustrie hatte jahrelang gerichtlich gegen die Verpackungspläne der Regierung gekämpft. Global agierende Unternehmen wie Philip Morris und British American Tobacco argumentierten, mit dem Verbot der Packungsgestaltung eigne sich die Regierung ohne entsprechende Kompensation Markenlogos und -design der Firmen an. Die Industrie blitzte aber in allen Rechtsinstanzen ab.

Die Konzerne fürchten nun, andere Länder könnten ähnliche Gesetze wie Australien einführen. Die Regierungen verschiedener Staaten, unter ihnen Neuseeland, Großbritannien und Indien, hatten Prozessbeobachter geschickt. Auch China, Südafrika und die Europäische Union beobachten die Vorgänge in Australien genau.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen