Derby ohne Schmähungen: Osnabrück putzt Lotte weg
Mit Siegen gegen Bundesligateams im DfB-Pokal haben die Spieler der Sportfreunde Lotte Eindruck gemacht – nur nicht auf den VfL Osnabrück.
OSNABRÜCK taz | Umkämpftes Derby oder nettes Nachbarschaftsduell? Diese Frage wurde vor dem Drittliga-Spiel des VfL Osnabrück gegen die Sportfreunde Lotte diskutiert. Zum ersten Mal trafen die beiden Teams in einem Punktspiel aufeinander. Die Gemeinde Lotte liegt direkt hinter der Stadtgrenze Osnabrücks in Nordrhein-Westfalen. Am Ende zeigte der VfL dem Nachbarn, wer es drauf hat. Osnabrück siegte 3:0.
Von einem heißen Derby konnte am Samstag trotz des ausverkauften Stadions und sechs gelber Karten aber nicht die Rede sein. Es gab keine Schmähungen, keine Beleidigungen in Richtung der gegnerischen Fans – und es gab keine gewalttätigen Ausschreitungen.
Fußballerisch nahm die Partie früh Fahrt auf und wurde zu einem echten Top-Spiel. Die unerfahreneren Lotter gaben jedoch ihren Spielfluss auf, als einige Spieler mit Schiedsrichterentscheidungen haderten und die Contenance verloren. Es war kein dreckiges Spiel wie in so vielen Derbys, sondern guter, sauberer Spaß.
Die Fans der Sportfreunde verhielten sich angesichts der 0:3-Niederlage überwiegend still. Echte Derby-Stimmung wie in den Spielen des VfL gegen die Spieler aus dem 50 Kilometer von Osnabrück entfernten Münster kam nur kurzweilig nach ein paar Fouls auf.
Mit T-Shirts, auf denen zu lesen war „Hurra, das ganze Dorf ist da“, füllten die Fans der Sportfreunde die Gästetribüne. Als sie zu Beginn der zweiten Halbzeit ein Banner mit dem Dorf-Spruch entrollen wollten, gelang dies jedoch nicht. Das müssen die Lotter wohl noch üben. Das Stadion an der Bremer Brücke in Osnabrück hätte tatsächlich alle 14.000 Einwohner Lottes aufnehmen können. Es kamen aber nur zehn Prozent von ihnen – mit eigener Polizeieskorte, die die Fan-Busse zum Stadion geleitete.
Eine Anreise von 16.000 Kilometern hatte Cuong Tu absolviert, um am Samstag dabei zu sein. Der Inhaber einer lebenslangen Dauerkarte reiste aus Sydney in Australien zum Spiel. Als Kind habe der Vietnam-Flüchtling in Osnabrück gelebt und sei Fan des VfL geworden, erzählte er vor dem Spiel im Gespräch mit den Stadionsprechern. Als es dem Verein vor drei Jahren finanziell noch schlechter ging als heute, hat er die „Retterkarte“ gekauft. Das Match gegen Lotte war das erste Spiel seit seiner Kindheit, das er im Stadion sehen konnte.
Nach Siegen gegen die Bundesligisten Werder Bremen und Bayer Leverkusen im DFB-Pokal haben die Sportfreunde Lotte bundesweit für Furore gesorgt. Ihr Aufstieg hängt unmittelbar mit Sportobmann Manfred Wilke zusammen. Der ist sich nicht zu schade, den Rasen im Stadion zu mähen oder im vergangenen Sommer beim Bau der neuen Tribüne im Stadion am Lotter Kreuz tatkräftig mit anzupacken.
Wilke stieg 1988 in den Dorfverein ein, als der noch in der Bezirksliga spielte. Damals, so geht die Legende, soll der Geschäftsführer eines Ingenieurbüros gesagt haben, dass er und die Sportfreunde eines Tages vor dem VfL stehen werden. Mittlerweile wurde dieser Wunsch – zumindest kurzfristig in der Drittliga-Tabelle – Wirklichkeit.
Zwischen den Vereinen gibt es Konflikte. Vor allem seitdem vor drei Jahren der damalige Lotter Trainer Maik Walpurgis nach einem langen Hick-Hack zum VfL gelotst wurde. Erst verloren die Sportfreunde Lotte mit Walpurgis in der Relegation zum Aufstieg in die 3. Liga gegen die Marketingabteilung von Red Bull Leipzig. Dann verlor das Team auch noch ihren Trainer. Und der bediente sich im Kader der Sportfreunde und lockte einige Spieler zum VfL Osnabrück.
Doch Wilke bewies Nehmerqualitäten. Er baute – wie fast in jeder Saison – ein neues Team auf und zauberte mit Trainer Ismail Atalan ein echtes Talent hervor. Er hatte vorher den Kreisligisten Davaria Davensberg und den Bezirksligisten SC Roland Beckum trainiert. Und in diesem Sommer gelang ihm mit den Sportfreunden Lotte der Aufstieg in die 3. Liga. Eben der Liga, in der auch der VfL Osnabrück spielt.
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