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Schön und gut

Mode Das Angebot Berliner Geschäfte mit ökofairer Kleidung ist inzwischen groß und überzeugt auch unter modischen Aspekten. Recycelte PET-Flaschen inklusive

Für die Umwelt gibt es bereits neue Kleider Foto: Karsten Thielker

von Beate Scheder

Den besten Ruf hatte sie lange nicht. Ökologisch und fair produzierte Kleidung galt als trutschig, grau, unförmig. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, mit Mode ließe sie sich nicht vereinbaren. Zu Unrecht, klar. „Gibt es das wirklich noch?“, fragt Judith Finsterbusch, angesprochen auf dieses Vorurteil, zurück. Acht Jahre ist es her, dass sie damals noch gemeinsam mit Monika Lesinski „Wertvoll“ gründete. Damals der erste etablierte reine Fair-Fashion-Laden in Berlin. Dass sie so lange durchhielten und das Geschäft jetzt so erfolgreich ist, liegt nicht nur an der guten Idee, sondern auch an dem Know-how der Gründerinnen. Beide sind studierte Modedesignerinnen und hatten von Anfang an den Fokus auf Mode gelegt, nicht auf Klamotte.

„Niemand kauft etwas, nur weil es öko ist“, meint Finsterbusch. Schön aussehen und sich gut anfühlen muss es vor allem auch. Damals, 2009, hatten sie noch große Probleme, ausreichend Labels zu finden, um die Kleiderstangen zu füllen. „Wir hatten im Vorfeld ein Jahr recherchiert, Firmen angeschrieben, uns Sachen zuschicken lassen und Probe gewaschen“, erzählt Finsterbusch. Ihr Anspruch war hoch, das Angebot noch klein. Zur Eröffnung sei nur ein Buch auf dem Tisch gelegen, in dem sich interessierte Kunden eintragen konnten, daneben ein paar Slips und drei Jeans. Seitdem hat sich viel getan. Mittlerweile schreiben die Labels „Wertvoll“ an. Momentan wäre für Neues aber gar kein Platz. Unter den Marken, die seit Langem fest im Programm stehen, sind die Streetwear von Armedangels, die Wäsche von Do you green und Damenmode von Annette Rufeger.

Adressen

Wertvoll Berlin: Marienburger Str. 39, 10405 Berlin, Mo.–Fr. 10–19, Sa. 11–19 Uhr, Onlineshop: www.wertvoll-berlin.com

Loveco: Sonntagstr. 29, 10245 Berlin, Mo.–Fr.12–20, Sa. 11–19 Uhr, Onlineshop: loveco-shop.de

Möon: Schönleinstr.10, 10967 Berlin, Di.–Fr. 11–19, Sa. 11–18 Uhr, Onlineshop: www.moeon.de

Homage: Dieffenbachstr. 15, 10967 Berlin, Di.–Fr. 11–18.30, Sa. 11–18 Uhr

Folkdays: Manteuffelstr. 19, 10997 Berlin, Mo.–Fr. 10–19, Sa. 11–18, Onlineshop: folkdays.de

Wesen: Weserstr. 191, 12045 Berlin, Mo.–Sa. 11–19 Uhr

Shio: Weichselstr. 59, 12045 Berlin, Mo.–Sa. 13–19 Uhr

Immer mal wieder kommt ein neues Label dazu, manchmal auch nur saisonweise. Authentizität sei ihr wichtigstes Auswahlkriterium, erklärt Finsterbusch. Allein dass die Kleidung ökologisch und fair produziert wurde und gut aussieht, reicht ihr nicht, auch die Macher müssen sie überzeugen mit ihrer Konsequenz. Sorgfalt bei der Selektion ist entscheidend, schließlich verlassen sich die Kundinnen von „Wertvoll“ darauf. Nachfragen zu den Details der Herstellung bekommt sie eher selten. Durchaus verständlich, dass auch Kunden von ökofairer Kleidung sich lieber einfach nur etwas Schönes kaufen wollen, anstatt sich ein Impulsreferat zu den neuesten Produktionsverfahren anzuhören.

„Wertvoll“ liegt in Prenzlauer Berg in Kiezlage. Laufkundschaft gibt es kaum, dafür treue Stammkunden und viele Touristen, die sich die Adresse vor ihrer Reise im Internet heraussuchen. Aktuell ganz oben auf deren Favoritenliste: Wollpullover der französischen Marke „Les Racines du Ciel“ und handgestrickte Mützen von der Berliner Designerin „Caro E.“.

2009 hat „Wertvoll“ Pionierarbeit geleistet, in den vergangenen Jahren kamen noch einige weitere Geschäfte dazu, die mit jeweils eigenen Schwerpunkten die grüne Shoppinglandschaft von Berlin ergänzten. Dass das Angebot gerade in Berlin inzwischen groß ist, verwundert wenig, schließlich finden hier halbjährlich mit dem Green Showroom und der Ethical Fashion zwei große Messen zu ethisch produzierter Mode statt. In Laufentfernung voneinander liegen „Möon“ und „Homage“ im Kreuzberger Gräfekiez. Vor ein paar Monaten erst eröffnete ebenfalls in Kreuzberg das Ladengeschäft zum Onlineshop „Folkdays“, in dem Fairtrade-Accessoires und -Mode von kleinen Handwerksbetrieben aus aller Welt verkauft wird.

Schönheit ist absolutes Muss. Niemand kauft etwas, nur weil es öko ist

„Wesen“ in Neukölln ist der Showroom des Ökolabels „Format“, bei „Shio“ ebenfalls in Neukölln liegt der Fokus auf upgecycelten Produkten. „Loveco“ in Friedrichshain bietet nicht nur ökologisch und fair Produziertes, hier ist alles auch vegan. Christina Wille, die „Loveco“ 2014 eröffnete, hatte vorher bei „Dear Goods“, einer Ladenkette für faire und vegane Kleidung, gearbeitet und wusste, dass es genug Nachfrage für ihre Idee gab. Leer ist es bei „Loveco“ tatsächlich selten. Auch sie hat schon jetzt viele Stammkunden. Manchmal kommen auch zufällig Leute herein und kaufen etwas, ohne die Hintergründe zu kennen. Wille klärt dann gern auf und freut sich, wieder jemanden davon überzeugt zu haben, „dass man sich nicht anders anziehen muss, nur weil man ökofair einkauft“. Die rund 40 Labels, von denen sie Kleidung, Accessoires, Schmuck und Kosmetik verkauft, hat sie alle selbst ausgewählt. Bei fast allen kennt sie die Macher persönlich.

Wie für Judith Finsterbusch von „Wertvoll“ zählen für Wille Vertrauen und Sympathie am Ende mehr als die bekannten oder weniger bekannten Zertifikate, die für so manches kleine Label schlicht zu teuer sind. Nicht alle der Labels sind 100 Prozent vegan, aber die Produkte, die in den Laden kommen, sind es. Bei „Loveco“ gibt es kein Fell, kein Leder, keine Seide, keine Wolle, keine Daunen, kein Horn. Zwei warme Jacken hat Wille dennoch im Programm: Das Futter der einen besteht aus recycelten PET-Flaschen, das der anderen aus Hanf, recyceltem Polyester und etwas Acryl. Schuhe gibt es noch keine. Wille sucht noch nach einem überzeugenden Label.

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