Schulpflicht während OSZE-Treffens in Hamburg: „Gipfeltreffen“ in der Schulbehörde
Ein Elternbrief zur OSZE-Konferenz in Hamburg sorgt für Irritation. Die Schulbehörde hat Schulleitung und Elternvertreter der Grundschule Sternschanze einbestellt.
HAMBURG taz | Dürfen Eltern im Schanzenviertel ihre Kinder während des anstehenden Außenministertreffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu Hause lassen? Dieses Angebot der Ganztagsgrundschule Sternschanze war offenbar voreilig und hat eine Einladung der Schulleitung und des Elternrats in die Schulbehörde nach sich gezogen.
„Der zugrundeliegende Elternbrief war mit uns nicht abgestimmt, was regelhaft auch nicht passiert, bei so einem relevanten Thema aber wünschenswert gewesen wäre“, sagt Behördensprecher Peter Albrecht. Es habe sich um eine „Einladung zu einem offenen Informationsaustausch gehandelt“, sagt Sandra Cantzler, Vorstandsmitglied des Elternrats.
Während der OSZE-Konferenz werden mehr als 10.000 Polizisten den Tagungsort in den Messehallen sichern. Zwar liegt die Schule nicht innerhalb der Sicherheitszone rund um die Messe, doch die Eltern befürchten, dass ihre Kinder in mögliche Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten verwickelt werden könnten. Schon der Anblick von Tausenden Polizisten in Kampfmontur sei „nicht schön für die Kinder“, sagt Cantzler.
Schulleiterin Gisela Rathjens hatte in dem Brief die Eltern gebeten, ihre Kinder an den beiden Tagen in die Schule zu bringen, „um ihr Kind nicht allein in einen plötzlichen Polizeieinsatz geraten zu lassen“. Außerdem stellte sie den Eltern frei, ihre Kinder an diesen Tagen in die Schule zu schicken oder nicht.
Die OSZE ist die Nachfolgeorganisation der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE, 1975 bis 1995), die wesentlich dazu beigetragen hat, den Kalten Krieg zu entschärfen und zu beenden.
Mit 57 Teilnehmerstaaten in Nordamerika, Europa und Asien ist die OSZE die weltweit größte regionale Sicherheitsorganisation. Sie arbeitet für mehr als eine Milliarde Menschen.
Zu ihren Aufgaben gehören die Rüstungskontrolle, vertrauensbildende Maßnahmen, der Schutz nationaler Minderheiten, Demokratisierung, Terrorismusbekämpfung sowie ökologische und ökonomische Fragen.
Am 8. und 9. Dezember tagen die Außenminister der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Hamburg.
„Wir haben es als sehr positiv empfunden, dass uns die Schulleitung das angeboten hat“, sagt die Elternvertreterin Cantzler. In dem Gespräch bei der Behörde habe sie klar gemacht, dass die Eltern eine gewisse Planbarkeit brauchten. „Wir müssen uns um eine Betreuung kümmern“, sagt sie.
Das gilt aber nur für die Eltern, die ihre Kindern nicht zur Schule schicken würden, falls die Behörde das zulässt. Eltern hätten bei „witterungsbedingten Gefahrenlagen“ das Recht, ihre Kinder nicht zur Schule zu schicken, sagt Behördensprecher Albrecht. „Schulbehörde, Schule und Polizei werden sich nun abstimmen, ob das auch auf diese Situation anwendbar ist.“
Klar ist, dass der Schulbetrieb auf jeden Fall weitergehen wird. Allerdings könnten die Eltern nicht verpflichtet werden, ihre Kinder zu begleiten, sagt Albrecht. „Das kann allenfalls eine Bitte oder ein Vorschlag sein.“
Die Polizei hat bisher keine Anhaltspunkte, dass es beim OSZE-Treffen zu Ausschreitungen kommen könnte. „Das kann sich schnell drehen“, befürchtet Cantzler. Außerdem stehe ja im Juli der G20-Gipfel von 19 großen Industrienationen und der EU an, bei dem tatsächlich mit Krawall zu rechnen ist. „Wir hätten gerne schon für den Sommer einen Anhaltspunkt, wie es da weitergeht“, sagt Cantzler.
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