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Grenzen überschreiten

FernwehWie lebt und reist es sich in Europa? Dieser Frage spürt im November eine Filmreihe im Hamburger B-Movie nach

Vom ursprünglichen altgriechischen Wortsinn her ist Europa „die Frau mit der weiten Sicht.“ Dazu haben die Programmmacher des B-Movies in Hamburg-St. Pauli jetzt Filme zusammengestellt, die „verschiedene Arten, auf dem Subkontinent zu leben, das An- und Wegkommen, die Grenzüberschreitungen und -verschiebungen“ thematisieren.

Mit „Suzie Washington“ (12. + 19. 11) ist nur ein konventioneller Spielfilm im Programm. Der österreichische Filmemacher Florian Flicker erzählte 1997 die Geschichte einer Frau aus Georgien, die auf dem Wiener Flughafen mit einem gefälschten Visum für die USA erwischt wird. Auf der Flucht vor der Polizei reist sie fünf Tage umher, bis sie sich im Niemandsland zwischen Österreich und Deutschland wiederfindet. In ihrer Kritik in der taz nannte Karen Schulz den Film damals “spannend, einfühlsam – und schräg“. „Dies liegt vor allem an der bonbonsüßen Verpackung der ernsten Story um Illegalität, Abschiebung und Flucht.“

In „Europe, She Loves“ (13. + 14. 11.) porträtiert der Schweizer Jan Gassmann vier junge Paare, die in Dublin, Thessaloniki, Sevilla und Tallinn feiern, sich verlieben, Drogen nehmen und schließlich Heimat und Freunde verlassen, weil es woanders bessere Arbeit gibt. Der auch dokumentarische Film fängt das Lebensgefühl der Generation 20 bis 30 ein und die Protagonisten lassen es zu, dass sehr intime Momente gezeigt werden.

Der Protagonist in „Absent Present“ (20. + 27. 11.) von Angelika Levi ist ein junger Mann, der 1979 aus Namibia in die DDR gebracht und 1990 wieder zurückgeschickt wurde. Zwei Jahre später reiste er als Anhalter durch Europa und geht der Filmemacherin verloren. Sie begibt sich auf die Suche nach ihm und findet andere Reisende und Geflüchtete, deren Geschichten sie erzählt. Und so fügt sich ihr Film langsam zu einem Essay über die verschiedenen Formen des Reisens.

Die Projekte von Christoph Schlingensief waren oft provozierende Versuchsanordnungen. „Ausländer raus! Schlingensiefs Container“ (10. + 26. 11.) ist die Dokumentation solch einer Aktion. Im Jahr 2000 ließ Schlingensief in Wien einen Wohncontainer aufstellen, in dem er Asylbewerber einquartierte. Er wollte damit das Konzept der damals neuen und umstrittenen Big-Brother-TV-Shows ins Extrem führen. Das Publikum konnte per Abstimmung entscheiden, wer von den Bewohnern abgeschoben werden sollte.

Jean-Luc Godard macht noch immer Filme, die allerdings kaum noch gezeigt werden. Mit „Socialisme“ (10., 19. + 24. 11.) drehte er 2010 einen essayistischen Reisefilm über eine Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer, bei der er im Stil eines Bildungsreisenden die Wiegen der europäischen Kultur in Ägypten, Odessa, Hellas, Neapel und Barcelona besuchte. Seine doch ziemlich wilde Mischung aus Begegnungen, Träumen, Zitaten und Dialogfragmenten ist zwar eher verwirrend als erhellend, aber leicht hat es Godard dem Publikum ja eh nie gemacht. Wilfried Hippen

Filmreihe „Europa“: bis 27. 1., B-Movie, Brigittenstraße 5, Hamburg. Das ganze Programm gibt es auf www.b-movie.de

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