Kurzkritik: Benno Schirrmeister im Circo Aquatico: Einmal durchgerauscht
Papst Franziskus hat den Circo Aquatico schon für gut befunden. Sie seien „fattori di belleza“, Produzenten der Schönheit, hat er den ArtistInnen gesagt. Offen bleibt, ob die kanonisierte Show auch im jetzt als Reformationsstadt firmierenden Bremen zieht.
Die Antwort nach der Premiere: eher so mittel. Dass die Clowns doof sind, damit rechnet man ja schon. Und dafür gibt es echt rasante Tempojonglagen, auch einen feinen Diabolo-Act und eine sensationelle Katapultnummer mit drei fliegenden Männern und Schiffsschaukel. Aber: Die Sache mit dem Wasser funktioniert überraschend schlecht.
Leider. Denn es ist ja eine einleuchtende Strategie, den Attraktivitätsverlust, den Zirkus infolge des ethisch wünschenswerten Verzichts auf Tierquälerei erleidet, durch eine Ästhetik der Elemente zu kompensieren. Gerade Wasser hat in der Geschichte der Manegenkunst eine ähnliche Funktion erfüllt: Die Macher des Circo Aquatico beziehen sich selbst auf Programme der Zirkuspaläste Anfang des 20. Jahrhunderts als Vorbilder, wobei sie aber, zeitgemäß, auf Umweltverträglichkeit durch Wiederaufbereitung achten. Den Clou der Tradition verfehlen sie jedoch: Die damaligen Inszenierungen betteten artistische Höchstleistungen ein in märchenhafte Erzählungen – „Die Rache des Kalifen“ hieß die 500.000-Liter-Revue, mit der Circus Busch 1934 auf Tournee ging – und sie nutzten die optischen und klanglichen Effekte des Wassers.
Im Circo Aquatico geht jedes zarte Plätschern unter im fast durchgängigen Diskostampf, das Licht wird mehr als notwendiges Übel für die Nummer an- und danach brutal ausgeknipst. Und statt per Erzählung aufgewertet zu werden, rauschen die Nummern einfach so durch, als hätte jemand den Stöpsel gezogen. Nur eingangs dröhnt eine fette Stimme vom Band, dass man dem Publikum zwar das Rauchen erlaube, „aber nicht in unseren Zeltanlagen“. Immerhin: witziger als die Clowns.
Bis 11. 12., jeweils Mi–Sa, 15 und 19.30 Uhr, und So. 11 und 15 Uhr
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