: Die Kritiker Israels
Theater Streit über antiisraelische Hetze
Das Ballhaus Naunynstraße in Berlin-Kreuzberg ist ein kleines Theater, das sich um migrantische und postmigrantische Erzählungen kümmert. Der jetzige Leiter Wagner Carvalho übernahm das Haus von Shermin Langhoff, die inzwischen das Gorki Theater leitet. Vom 9. September bis 9. Oktober zeigte das Ballhaus ein Festival, „After the Last Sky“, das Projekte von Künstlern aus Palästina zusammenbrachte. Zwei Wochen nach Ende des Festivals holte der Nahost-Konflikt das Theater ein. In einem Artikel des Tagesspiegelswurden Vorwürfe erhoben, vonseiten einer Workshop-Leiterin, Nadija Samour, und einer Kuratorin, Anna-Esther Younes, sei es zu antiisraelischer Hetze gekommen; Israel sei als „Apartheid-Regime“ und „kolonialistische Gebilde“ bezeichnet worden und der Terror der Hamas sei verharmlost worden. Der Autor kritisierte nicht nur, dass solche Beiträge am Ballhaus zugelassen wurden, sondern auch, dass das Programm mit öffentlichen Geldern finanziert wurde. Der Botschafter Israels, Yakov Hadas-Handelsmann, griff die Vorwürfe in einem Brief an den Berliner Bürgermeister Michael Müller auf und wertete sie als „Volksverhetzung“.
Der Leiter des Hauses, Wagner Carvalho, dementierte, dass „auf dem Festival antisemitische und rassistische Positionen geäußert wurden“. Inzwischen hat er sich mit dem Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner getroffen, der um Stellungnahme gebeten hatte. Mit Hilfe von zwei Zeuginnen des Workshops und einer Videodokumentation des kritisierten Gesprächs gelang es dem Haus glaubhaft zu machen, dass die diskriminierenden Äußerungen nicht so gefallen waren, wie im Tagesspiegeldargestellt. Dem Haus ist in einem offenen Brief eine Gruppe von mehr als hundert „israelischen und jüdischen Kulturschaffenden in Berlin“ beigesprungen. „Viele von uns haben Israel verlassen, weil wir das zunehmend beängstigende Klima der Einschüchterung von Kritiker_innen der Besatzungspolitik und der zunehmenden Einschränkungen der Redefreiheit nicht mehr ertragen können oder wollen“, schreiben sie. Dabei seien sie durchaus „unterschiedlicher Meinung darüber, ob Begriffe wie ‚Apartheid‘, ‚Kolonialismus‘ und ‚ethnische Säuberung‘ in Bezug auf die Geschichte und Gegenwart des Staates Israel zutreffend oder nützlich sind“. Trotzdem wollen sie feststellen, dass „die Diskussion über diese Begriffe und die Argumente der BDS-Bewegung legitime Bestandteile einer öffentlichen Debatte über die politische Situation in Israel-Palästina sind“. Dass diese Ansicht viele nicht teilen, zeigten die heftigen Reaktionen.
Katrin Bettina Müller
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