piwik no script img

Linker Abschied in den Unruhestand

Wissenschaft Der Politikprofessor Christoph Butterwegge verabschiedet sich von der Kölner Universität

Der Kölner Politikprofessor Christoph Butterwegge Foto: Karlheinz Schindler

KÖLN/BERLIN taz | Christoph Butterwegge sitzt auf seiner Wohnzimmercouch und wirkt erleichtert. Fast scheint es, als würde der Politikprofessor sein Ausscheiden aus dem universitären Alltag geradezu herbeisehnen. „Ich gehe jetzt in den Unruhestand“, sagt der 65-Jährige mit einem verschmitzten Grinsen.

An diesem Freitag veranstaltet die Universität Köln für ihn ein Abschiedssymposium. Es wird um die Themen gehen, die ihn seit Jahrzehnten umtreiben: um die „Gefahren für die Demokratie“ – um Sozialstaatsabbau und Armut, um Rechtsextremismus und -populismus.

Kurz vor seiner Pensionierung ist Butterwegge zum zweiten Mal Vater geworden. Der kleine Sohn krabbelt über den Boden und verlangt Aufmerksamkeit – und bekommt sie auch umgehend. Da lässt sich der stolze Papa auch nicht von dem Telefon stören, das schon wieder klingelt. Dabei freut es ihn sichtlich, dass er nach wie vor ein gefragter Mann ist. Ständig wird der wohl bekannteste Armutsforscher der Republik zu Vorträgen eingeladen, um Interviews gefragt. Und unablässig schreibt er Bücher und versucht, seine linkssozialdemokratischen Botschaften mittels Gastbeiträgen in Zeitungen zu platzieren, auch in der taz.

Vor rund elf Jahren ist Butterwegge aus der SPD ausgetreten, um genau zu sein: am 18. November 2005. Gerhard Schröders Agenda 2010 hatte ihm den Rest gegeben. Es war das Ende einer langen, schwierigen Beziehung.

Das erste Mal trat Butterwegge im Juli 1970 in die Partei ein. Damals war er noch Abiturient. Er engagierte sich bei den Dortmunder Jusos und galt schnell als großes politisches Talent. 1974 kam er als Vertreter des linken Stamokap-Flügels in den Bezirksvorstand. Und mit dem jungen Gerhard Schröder saß er damals im Bundesausschuss der Parteijugend.

1975 verlässt Butterwegge das erste Mal die SPD – allerdings nicht freiwillig. Die Partei schloss ihn wegen Linksabweichlertums aus. Zum Verhängnis geworden war ihm ein Artikel in den damals DKP-nahen Blättern für deutsche und internationale Politik, in dem er sich kritisch über die Politik von Bundeskanzler Helmut Schmidt geäußert hatte. Den Rausschmiss hatte der Parteirechte Hermann Heinemann betrieben, der mächtige Chef des SPD-Bezirks Westliches Westfalen und spätere NRW-Arbeits- und Sozialminister.

Aber wie der zwei Jahre später rausgeworfene Ex-Juso-Chef Klaus Uwe Benneter konnte auch Butterwegge nicht von seiner Hassliebe SPD lassen. 1983 stellte er einen Wiederaufnahmeantrag. Vier Jahre später und nach persönlicher Fürsprache Gerhard Schröders gab die Partei 1987 seinem Begehren statt. Anders als Benneter, dem Schröder bereits 1983 die Rückkehr ermöglicht hatte, setzte er allerdings in den Folgejahren nicht auf den Aufstieg im Politbetrieb, sondern arbeitete an seiner wissenschaftlichen Karriere. Nach Lehraufträgen an diversen Hochschulen und einer Vertretungsprofessur an der Fachhochschule Potsdam wurde er schließlich 1998 an die Uni Köln berufen.

„Ich begreife mich eben auch als politischer Politikwissenschaftler“, sagt Butterwegge. Seit seinem SPD-Austritt ist er parteilos. Allerdings steht er der Linkspartei nahe; 2012 diskutierte sie sogar, ihn als Bundestagskandidaten aufzustellen. Aber Butterwegge winkte ab.

„Ich begreife mich als politischer Politikwissenschaftler“

Christoph Butterwegge

Er halte es für notwendig, dass Politikwissenschaftler klar erkennbar machen, wo sie politisch stehen, und nicht so tun, als würden sie über den Dingen stehen, sagt Butterwegge. „Wenn ich in den Medien, in der Öffentlichkeit wissenschaftliche Erkenntnisse vertrete, dann greife ich damit auch in politische Auseinandersetzungen ein“, sagt er. „Und ich bin mir dessen bewusst und ich bekenne mich dazu.“

P. Beucker, F. Überall

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen