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Fremd und doch vertraut

Ausstellung Die Berliner Fotografin Ann-Christine Jansson fuhr nach Breslau, ihre Breslauer Kollegin Alicja Kielan kam nach Berlin. Mit ihrer Kamera fingen beide viel Gemeinsames ein

Prüfender Blick. Im Restaurant Pochlebna in Breslau Foto: Ann-Christine Jansson

von Uwe Rada

Wie fotografiert man eine fremde Stadt? Eine Stadt, in der man nie zuvor war? Vor dieser Frage stand die in Schweden geborene Berliner Fotografin Ann-Christine Jansson, als sie sich im März auf den Weg nach Breslau gemacht hat. Für das Buch „Berlin und Breslau. Eine Beziehungsgeschichte“ sollte sie einen Fotoessay beitragen. Umgekehrt sollte die Breslauer Fotografin Alicja Kielan ihre Eindrücke aus Berlin festhalten. Die Arbeiten beider Fotografinnen sind nun in der Ausstellung „Entdeckungen“ im Podewil zu sehen.

Die Mühlenbrücke über die Oder in Breslau. Im Hintergrund das Gründerzeitviertel Nadodrze Foto: Ann-Christine Jansson

Ann-Christine Jansson, das sieht man sofort, hat sich in Breslau verliebt. Weniger in die Stadt als in ihre Menschen. Sie trifft sie auf den Straßen, in Bars, auf der Tanzfläche, meistens abends und nachts. Jansson kommt mit ihnen ins Gespräch, sie reden über Breslau und Berlin, erst am Ende greift sie zur Kamera. Die Momentaufnahmen der Breslauerinnen und Breslauer sind damit auch ein Dokument einer Begegnung.

Eine Bar wie sie auch in Breslau sein könnte Foto: Alicja Kielan

Und sie zeigen eine Stadt, die ungemein jung ist, lässig auch und voller Energie. Wer sowohl auf die Fotos von Ann-Christine Jansson als auch auf die von Alicja Kielan schaut, fragt sich bald: Wo ist hier die Metropole und wo die Provinzhauptstadt? Sind wir jetzt in einer polnischen oder in einer deutschen Stadt? Und spielt das überhaupt noch eine Rolle?

Straßenszene in Berlin Foto: Alicja Kielan

Für Alicja Kielan spielt es keine Rolle. Die Breslauerin war zuletzt vor 18 Jahren in Berlin, da war sie 14 Jahre alt. Nun ist sie wieder zurückgekehrt. Doch das Thema von damals, die Freiheit, und die Frage, wie es sich woanders lebt, spielen jetzt keine Rolle mehr, sagt sie. Nun nähert sie sich dem Alltag, dem Leben in Siedlungen und Mietskasernen, und stellt fest: „Die Unterschiede zwischen Ost und West, die lange Zeit mit Berlin verbunden waren, sind heute nur noch schwer auszumachen.“

Dennoch sind die Fotografien keine Annäherung an den Nachbarn auf Augenhöhe. Breslau ist eine Stadt, die erst entdeckt werden muss, und viele finden in ihr, wie Ann-Christine-Jansson, das Vertraute, das Nachtleben, das Treiben in einer ganz normalen europäischen Stadt. Die, die wie Alicja Kielan, schon einmal in Berlin waren, zoomen die Stadt heran, suchen das Detail. Die „Entdeckungen“ der beiden Fotografinnen sind damit auch ein Beispiel für die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen im Verhältnis zwischen Berlin und Europas Kulturhauptstadt 2016.

„Entdeckungen“. Bis 18. 11. im Podewil, Klosterstraße 68. 919 Uhr außer Samstag und Sonntag

„Berlin und Breslau. Eine Beziehungsgeschichte“. Bebra-Verlag, 164 Seiten, 16 Euro. Lesung, 28. Oktober, 19 Uhr, Podewil

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