: Iraker wollen anerkannt bleiben
Sieben irakische Flüchtlinge klagen gegen die Aberkennung ihrer Asylberechtigung durch das zuständige Bundesamt. Das entzieht immer mehr Menschen ihr bisheriges Aufenthaltsrecht. Scharfe Kritik von Marieluise Beck und Pro Asyl
VON JAN PFAFF
Jeder Fernsehzuschauer kann sich allabendlich davon überzeugen: Die Sicherheitslage im Irak ist extrem angespannt. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) interessiert sich dafür offenbar nicht. Mit der rein formalen Begründung, dass die Ursache für ihre politische Verfolgung nun hinfällig sei, entzieht das Amt seit zwei Jahren immer mehr Irakern ihre Asylberechtigung. Rund 7.000 Menschen waren davon allein im vergangenen Jahr betroffen. Nun haben sieben Iraker gegen diese Behördenpraxis geklagt.
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz verhandelte gestern als erstes deutsches Berufungsgericht die Frage, ob irakischen Flüchtlingen wegen des Sturzes von Saddam Hussein ihre Asylberechtigung entzogen werden darf. Bei den Kläger handelt es sich um Angehörige verschiedener ethnischer und religiöser Gruppen, die zwischen 1998 und 2000 nach Deutschland geflohen waren und als politische Verfolgte anerkannt wurden. In der Verhandlung beriefen die Kläger sich darauf, dass ihnen in ihrem Heimatland weiterhin politische Verfolgung drohe, weil Polizei und Sicherheitsbehörden sie im Irak nicht wirklich schützen könnten.
Wenn die Klage scheitert, droht den Betroffenen der Verlust ihres bisherigen Aufenthaltsrechts. Aus Deutschland abgeschoben werden können die Iraker allerdings nicht. Aufgrund der alltäglichen Gewalt in ihrem Heimatland gilt derzeit bundesweit ein Abschiebestopp.
Bei diesem Widerspruch setzt auch die Kritik von Marieluise Beck an, der Migrations- und Integrationsbeauftragten der Bundesregierung. Sie fordert, die zahlreichen Widerrufsverfahren des BAMF bei den Irakern zu stoppen. Es sei integrationspolitisch paradox, bei einem faktischen Abschiebungsstopp die Menschen dadurch zu verunsichern, dass man ihnen den Flüchtlingsstatus entziehe, so Beck.
Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert das Vorgehen der Behörden. „Man muss sich schon fragen, wem es überhaupt etwas nützt, wenn die Menschen weiterhin hier leben, aber einen schlechteren rechtlichen Status haben“, sagt Bernd Mesovic, der zuständige Referent bei Pro Asyl. Da es immer weniger Asylanträge gebe, versuche die Behörde sich offensichtlich durch die zahlreichen Widerrufsverfahren zu beschäftigen.
Nach Angaben von Pro Asyl sind die Widerrufsverfahren seit zwei Jahren sprunghaft angestiegen. 2002 hatte das BAMF 2.200 Flüchtlingen die Anerkennung weggenommen, 2004 waren es rund 18.000. In diesem Jahr wurde bereits bei 5.700 Flüchtlingen die Asylberechtigung überprüft. Lediglich 169 erhielten eine Bestätigung ihres Flüchtlingsstatus.
Die Iraker stellen dabei die mit Abstand größte Gruppe bei den Asyl-Widerrufen. Betroffen sind auch viele Flüchtlinge aus dem Kosovo und aus Afghanistan. Das BAMF müsse eigentlich in jedem Einzelfall prüfen, ob noch eine politische Verfolgung drohe, sagt der Pro Asyl-Referent Mesovic: „Dies ist bei den Massenverfahren, wie sie im Moment stattfinden, offensichtlich nicht der Fall.“
Die Entscheidung in der Grundsatzfrage will das Koblenzer Gericht am 4. November verkünden. Das OVG kündigte an, wegen der grundsätzlichen Bedeutung auch eine Revision gegen seine Entscheidung zuzulassen. Dann müsste sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem Fall beschäftigen.
Mesovic setzt auf die Gerichte jedoch keine großen Hoffnungen. Die deutsche Rechtsprechung sei nicht besonders völkerrechtsfreundlich. „Es wird zwar immer so getan, als ob die Genfer Flüchtlingskonvention eingehalten wird, aber die deutsche Praxis sieht anders aus“, sagt er. „Das erleben wir täglich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen