piwik no script img

Hymne der Linken

SYNTHIE-POP Vor dreißig Jahren hat die BBC das bissig-politische Debüt „Penthouse and Pavement“ der britischen Band Heaven 17 aus dem Äther verbannt. Jetzt bringt das Duo aus Sheffield den Synthie-Pop-Meilenstein zum ersten Mal vollständig auf die Bühne

In Rekordtempo haben Heaven 17 einen Meilenstein des Synthie Pop ausgebrütet

VON KNUT HENKEL

Aus dem Äther verbannt hat sie einst die BBC. Zu politisch waren den Gralshütern der unbeschwerten Popmusik die Texte von Heaven 17s legendärem Debüt „Penthouse and Pavement“. Vor allem bei der Single „We don’t need this Fascist Groove Thang“ bekamen die Zensoren rotgeäderte Augen, denn da hatten die drei Jungs aus Sheffield mit beißendem Humor die herrschenden Verhältnisse aufs Korn genommen. Dabei lässt sich trefflich darüber streiten, ob nun die Opposition gegen die „eiserne Lady“ Margaret Thatcher, die respektlosen Textzeilen gegenüber US-Präsident Ronald Reagan oder der Widerstand gegen rassistische und faschistische Tendenzen in der Politik dafür verantwortlich waren.

Den drei Frontfiguren von Heaven 17 war es herzlich egal, denn das Stück wurde zur Hymne der Linken und sorgte für das gesteigerte Interesse der Kritiker. Die hatten Heaven 17 fortan als tanzbar und progressiv verbucht, was Sänger Glenn Gregory natürlich gefiel. Für den Mann mit der wallenden, stetig dünner werdenden Tolle war Heaven 17 schließlich die Premiere auf großer Bühne. Die hatten Martyn Ware und Ian Craig Marsh längst hinter sich, denn sie waren im Streit bei den Elektro-Pionieren Human League ausgestiegen. Und wollten den alten Kumpel zeigen, was ’ne Harke ist.

Dafür taugte das in Windeseile zusammenkomponierte Debüt. Gerade 14 Tage hatten die drei Musiker zusammengehockt und in Rekordtempo einen Meilenstein der Synthie-Pop-Geschichte ausgebrütet. „Dabei waren Ian Marsh und ich nichts weiter als Soundtüftler, die im Hauptberuf einen dieser riesigen Computer bedienten“, so Ware. Das hat auf den Sound der Band abgefärbt. Der indes war damals aufgrund des aufwändigen Übereinanderlegens der Synthiespuren technisch noch gar nicht live darstellbar. Die Fans mussten sich mit den einfallsreichen und ironischen Videos wie „And that’s no lie“, in dem Glenn Gregory in der Anstalt landet, Vorlieb begnügen.

Erst als die Drumcomputer und Sampler der ersten Stunde so weit waren, enterten auch Heaven 17 1986 zum ersten Mal die Bühne. Doch da der Aufwand groß war – und die Herren Ware, Marsh und Gregory auch noch andere Interessen hatten –, gehörten Konzerte der Band, die Synthie-Pop und Funk zu einem neuen Genre verschmolzen hatte, zur Ausnahme.

Erst 2010, das Trio hatte sich zwischenzeitlich immer wieder erfolgreich mit dem Produzieren anderer Musiker wie Terence Trent D’arby oder Tina Turner beschäftigt, entschlossen sich Gregory und Ware „Penthouse and Pavement“ zum ersten Mal vollständig auf die Bühne zu bringen. Erfolgreich – wie man sich bei den beiden Großmeistern der Inszenierung vorstellen kann. Die haben sich Videokünstler wie Malcom Garret, D-Fuse und Co. ins Boot geholt, um sich und die Show in Szene zu setzen. Mit Sängerin Billie Godfrey und dem Bassisten Randy Hope-Taylor haben sie weitere Asse aus dem Ärmel gezogen und die Bühnen auf der Insel und außerhalb geentert. Das funktioniert. Gregory und Ware haben zwar Polster angelegt und Haare verloren haben, Musikalität und Stimme aber haben sie nicht eingebüßt. Davon kann man sich Dienstag in der Fabrik überzeugen.

■ Di, 11. 12., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen