: OFF-KINO
Off-Kino
Lars Penning
Filme aus dem Archiv– frisch gesichtet
Ein Film mit Kindern, aber nicht unbedingt für Kinder. Oder vielleicht besser: Auch für Kinder, aber auf diese sehr japanische Weise, die Kindern einiges an Intelligenz und sozialer Kompetenz abverlangt. Denn Yasujiro Ozus Stummfilm „Ich wurde geboren, aber …“ (1932) ist ein Film über soziale Ordnungen: Während sich die unumstößlich erscheinende gesellschaftliche Hierarchie der Erwachsenen auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht gründet, ist die Ordnung innerhalb einer Bande von Kindern dynamisch und kann durch Cleverness oder Gewalt verändert werden. Und hier entstehen die Konflikte innerhalb der Familie Yoshii: Als die Söhne Ryoichi und Keiji die Unterwürfigkeit ihres Vaters gegenüber seinem Chef bemerken, können sie dieses Verhalten nicht begreifen. Zusehends nimmt die Konfrontation zwischen Vater und Söhnen immer absurdere Formen an. Ozus Film bietet eine interessante Mischung aus japanischen und westlichen Elementen, die vor allem in vom amerikanischem Kino beeinflussten Schnittfolgen und den Anklängen an die Sozialkomödien von René Clair aufscheinen (9. 10., 16. 30 Uhr, Arsenal 1).
In seinem Film „Ida“ (2013) behandelt der in England lebende polnische Regisseur Pawel Pawlikowski in komplexer Weise die wichtigen Themen der polnischen Nachkriegszeit: Da geht es um die tief verwurzelte katholische Religiosität, den daraus resultierenden Antisemitismus und den Stalinismus mit seinen Schauprozessen. Als die Novizin Anna kurz vor ihrem Gelübde ihre einzige noch lebende Verwandte, die parteitreue Richterin Wanda, kennenlernt und dabei erfahren muss, dass sie tatsächlich Jüdin ist und Ida heißt, beginnt für die junge Frau eine Reise, auf der sie ungewohnte Freizügigkeiten jenseits der klösterlichen Ordnung kennenlernt und sich Fragen nach Verantwortung und Freiheit in der Gesellschaft wie im persönlichen Leben stellen muss. Ein kluger Film, inszeniert im ästhetischen Rückgriff das europäische Kunstkino der frühen 1960er Jahre (OmU, 9. 10., 14 Uhr, City Kino Wedding).
Und noch ein offen erzählter Film über Gesellschaft und persönliche Freiheit: In der Defa-Produktion „Die Taube auf dem Dach“(1973) erzählt Regisseurin Iris Gusner von einer jungen Bauleiterin, ihren Affären mit zwei Männern und der Frage, wie man in der DDR eigentlich leben möchte. Aus Sicht der Kulturpolitiker fiel die Antwort darauf wohl verkehrt, weil nicht ausreichend sozialistisch, aus: Sie verboten den Film, der heute nur noch in einer schwarz-weißen Kinokopie erhalten ist (10. 10., 19 Uhr, Arsenal 2).
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