piwik no script img

CDU und FDP nach der Berlin-WahlDer große und der kleine Czaja

Sozialsenator Mario Czaja erhielt fast 50 Prozent der Erststimmen, fliegt aber wohl aus der Regierung. Mehr Erfolg hat sein kleiner Bruder von der FDP.

Hier ohne seinen Bruder Mario: der Berliner Spitzenkandidat der FDP, Sebastian Czaja Foto: dpa

Berlin taz | Der kleine Bruder hat es geschafft. Sebastian Czaja (33), der Mann, der am Sonntag die FDP zurück ins Berliner Landesparlament geführt hat, wird mutmaßlich Fraktionschef werden, sein Bruder Mario (41) hingegen vom bisherigen Minister – oder Senator, wie es in Berlin heißt – wieder zum einfachen CDU-Abgeordneten werden.

Die beiden sind so etwas wie die Vogels der Berliner Landespolitik. Auch beim erfolgreichsten Brüderpaar der bundesdeutschen Politgeschichte – CDU-Mann Bernhard Vogel war gleich in zwei Ländern Ministerpräsident, SPDler Hans-Jochen Vogel Bundestagsfraktionschef und Minister – ging die Parteigrenze quer durch die Familie.

„Ach, der Bruder vom Mario“. lange hatte sich Sebastian Czaja das anhören müssen. Der Mario war eben schon überall gewesen, wo sein acht Jahre jüngerer Bruder erst hinkam: in der Schüler-Union, der Jungen Union, im Bezirksparlament in Marzahn-Hellersdorf im Osten Berlins. Erst als er zur FDP wechselte und 2006 für die Liberalen ins Abgeordnetenhaus kam, wurde das anders: Als Vizefraktionschef ab 2009 war Czaja mit damals erst 25 Jahren erstmals auf Augenhöhe mit seinem Bruder, damals CDU-Fraktionsvize.

Das hielt allerdings nur zwei Jahre an, dann kam die FDP bei der Wahl 2011 nur auf 1,8 Prozent, kaum mehr als die Tierschutzpartei, und flog samt Czaja junior aus dem Parlament. Aufschwung und jetziger Wiedereinzug hängen stark mit Czaja zusammen, der vor einem Jahr FDP-Generalsekretär wurde: Er startete Ende 2015 ein Volksbegehren mit, den innenstadtnahen Flughafen Tegel auch dann offen zu halten, wenn der als Milliardengrab verschriene BER hinter der Landesgrenze irgendwann eröffnen sollte.

Was viele als Gaga-Idee abtaten, stützten rund 30.000 Menschen mit ihrer Unterschrift. Die erste Stufe des Volksbegehrens hatte die Initiative geschafft – und Czaja machte daraus das zentrale FDP-Wahlkampfthema.

Wermutstropfen für Mario

Aber auch sein Bruder Mario gehört zu den Siegern dieser Wahl. Mag seine Partei auch in die Opposition müssen und er selbst sein Amt als Gesundheits- und Sozialsenator verlieren – er bleibt der erfolgreichste Wahlkreiskandidat im Land. 47,2 Prozent der Erststimmen erhielt Czaja, mehr noch als die erfolgreichsten Grünen in ihren Hochburgen in Kreuzberg. Es war lange der einzige CDU-Wahlkreis im Osten der Stadt überhaupt, 1999 gewann er ihn erstmals. Gegen jeden CDU-Trend legte er gegenüber der Wahl 2011 sogar zu, um 6 Prozentpunkte.

Das wirkt auf den ersten Blick überraschend. Denn der erfolgreiche Stimmensammler Czaja ist ja auch jener Czaja, der als Sozialsenator manchen Medienberichten zufolge für die 2015 über Wochen katastrophalen Zustände vor der Flüchtlingsbehörde Lageso verantwortlich war. Das sahen seine 12.019 Wähler in Kaulsdorf-Mahlsdorf entweder anders oder sie gewichteten seine Wahlkreisarbeit höher. In früheren Jahren engagierte er sich gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz und brachte damit viele Anwohner in seinem von Eigenheimen geprägten Wahlkreis hinter sich.

Auch sein Bruder setzte damals intensiv auf ein Thema und wandte sich gegen das Schornsteinfegermonopol. Was wie eine Petitesse wirkt, brachte damals 300 Menschen zu einem Diskussionsabend – ein gigantischer Wert für eine Parteiveranstaltung.

Im Fokus wird nun vorerst der Jüngere stehen. Mario Czaja aber ist auch weiter im Geschäft. Umso mehr, als er sich zuschreiben kann, die Position der CDU im Osten der Stadt ausgebaut zu haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!