Sven Hansen zur neuen Eskalation des KaschmirKonflikts: Spiel mit dem Feuer
Noch ist nicht klar, was genau an der Grenze im zwischen Indien und Pakistan geteilten Kaschmir passiert ist. Sind indische Truppen auf pakistanischen Boden vorgedrungen und haben dort von Pakistan unterstützte Terroristen angegriffen, wie es Delhi behauptet? Das wäre eine neue Eskalationsstufe im Kaschmir-Konflikt, der schon zweimal zum Krieg geführt hat. Oder hat Indiens Militär über die Grenze geschossen und dabei pakistanische Soldaten getötet, wie Islamabad sagt? Das wäre nichts Neues. Schüsse über die Grenze sind leider fast alltäglich.
Beide Seiten haben großes Interesse an ihrer Version der Ereignisse. Die hindunationalistische Regierung von Indiens Ministerpräsidenten Narendra Modi will zeigen, dass sie mit Härte auf pakistanische Provokationen reagiert. Modis Partei BJP warf ihrer von der Kongress-Partei geführten Vorgängerregierung stets Laschheit gegenüber Pakistan vor. Bisher war Modi allerdings auch vorsichtig, wohl wissend, dass das Pulverfass Kaschmir leicht entzündlich ist und eine Eskalation nicht in Indiens Interesse ist. Die Atommacht Pakistan verfolgt explizit eine Erstschlagsdoktrin. Indiens Erklärung zeigt deshalb jetzt vor allem symbolisch Härte.
Das Privilegien und innenpolitischen Einfluss genießende pakistanische Militär will den Kaschmir-Konflikt am Köcheln halten, weil er die eigene Position in Land stärkt. Indisches Eindringen nicht verhindert zu haben gilt aber als Schwäche, weshalb dies nicht bestätigt wird.
Ansonsten will das schwächere Pakistan den Konflikt gern internationalisieren. Das geht durch Eskalation, weil sie eine besorgte Weltgemeinschaft auf den Plan ruft. Genau das will Indien verhindern, weshalb es jetzt nur von „chirurgischen Schlägen“ spricht. Das Ergebnis ist das jetzige Spiel mit dem Feuer. Beide Seiten eskalieren in ihrem Sinn und riskieren so, dass der Konflikt aus dem Ruder läuft. Das muss nicht passieren, ist aber nicht auszuschließen.
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