Zwischen Bürgerkrieg und Ebola

Liberia In kaum einem Land der Welt sind die Herausforderungen beim Aufbau des Schulwesens so groß. Bildung bleibt das Privileg einer Minderheit – nur jedes vierte Kind geht auf die Grundschule

BERLIN taz | Als James Emmanuel Roberts im Februar 2006 sein Amt als stellvertretender Bildungsminister von Liberia aufnahm, war es „wie der Eintritt in die Unterwelt“, schrieb er einige Jahre später. Das mehrstöckige Ministeriumsgebäude war voll mit stinkendem Müll, es gab keinen Strom, kein Wasser, kein Licht, kein Mobiliar. Sein Etat von 5 Millionen US-Dollar existierte nur auf dem Papier.

Kaum irgendwo auf der Welt ist das Bildungswesen so am Boden wie in Liberia. Der Bürgerkrieg von 1989 bis 2003 tötete nicht nur ein Zehntel der damals 2,5 Millionen Einwohner, sondern zerstörte auch über 80 Prozent aller Schulen. Es gab mehr Kindersoldaten als Oberschüler. Schon vor dem Krieg konnte in dem Land, das im 19. Jahrhundert von aus den USA nach Afrika entsandten schwarzen Exsklaven gegründet worden war, die Mehrheit der Bevölkerung nicht lesen und schreiben. Jetzt war eine ganze Generation ohne Schule aufgewachsen; sie bekam nun selbst Kinder, und es gab für sie nichts. Fast die Hälfte der 4 Millionen Liberianer sind unter 14 Jahre alt.

Die erste gewählte Präsidentin, Ellen Johnson-Sirleaf, die 2006 ihr Amt aufnahm, erklärte Bildung zu ihrer Priorität. Aber ein Dreijahresprogramm zum Wiederaufbau des staatlichen Schulwesens – Liberias Schulen sind zu je einem Drittel staatlich, privat und kirchlich, und alle wurden im Krieg verwüstet – wurde 2007 auf einer Geberkonferenz in Bonn abgelehnt: zu kompliziert. Dutzende internationale Hilfswerke boten derweil selbst Schulunterricht an, völlig unkoordiniert.

Mit 12 Millionen US-Dollar von Unicef und 4,7 Millionen von der Open Society Foundation aus den USA wurde schließlich ein in New York angesiedelter Trust Fund lanciert, der bis 2010 das staatliche Grundschulwesen in Liberia wieder aufbaute. 2009 begannen Bauarbeiten, 2010 hatten alle Landesteile neue Schulbücher erhalten.

Aber es gab kaum Ausbildung für die Lehrer, und Grundschulbildung ist in Liberia zwar seit dem Krieg kostenlos, aber für Hefte und Uniformen haben die meisten Eltern kein Geld. Im Jahr 2013 stellte Unicef fest, dass immer noch nur 23 Prozent aller Grundschulkinder tatsächlich zur Schule gehen.

Und dann kam Ebola und raffte alles dahin. Im Juli 2014 schloss Liberias Regierung alle 4.460 Schulen. Seit 2015 dürfen sie wieder öffnen – mit neuen Lehrmitteln und Hygienekits. Bis heute sind die nicht überall vorhanden. Dominic Johnson