: Private Nacktfotos im offenen Netz
Sexting Jugendsexualität im Internet: Wer Bilder ungefragt weiterleitet, macht sich strafbar
Informationen zum Thema und Hilfsangebote gibt es unter
http://www.klicksafe.de/themen/problematische-inhalte/sexting/was-sagt-das-gesetz/
www.kennst-du-sexting.de
www.save-me-online.de
profamilia.sextra.de
www.was-geht-zu-weit.de
www.saferinternet.at
Nach Studien haben 16 Prozent aller Jugendlichen schon mal ein erotisches Foto von sich aufgenommen und über Facebook, WhatsApp oder Snapchat verschickt – als Liebesbeweis an den Freund oder die Freundin oder um mit jemand zu flirten. Wenn diese Aufnahmen vom Empfänger an andere Personen im Internet weitergeleitet werden – etwa aus Rache nach einer Trennung -, kann die beabsichtigte Wirkung der Bilder in ihr Gegenteil umschlagen: Die 15-jährige Kanadierin Amanda Todd nahm sich 2012 das Leben, nachdem ein Internet-Bekannter, dem sie ein Foto ihrer Brüste geschickt hatte, das Bild öffentlich machte und sie daraufhin von ihrer Umwelt geschnitten und beleidigt wurde.
Ein Fall, der kürzlich auf der Tagung „Sexting – kein Problem?“ der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen in Hannover präsentiert wurde. Viele Aufklärungskampagnen wenden sich an Mädchen und warnen sie vor dem leichtfertigen Versenden von Internet-Nachrichten mit sexualisiertem Inhalt. „Es ist eine problematische Strategie, sich bei den Präventionsmaßnahmen auf Mädchen zu konzentrieren und sie indirekt für den Missbrauch der Bilder verantwortlich zu machen, wo Jungen doch beim Sexting genauso aktiv sind“, sagt Christian Helbig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der TH Köln und verweist auf aktuelle Befragungen: Drei Prozent der Mädchen und 23 Prozent der Jungen sagen, Sexting gehört zum Flirten dazu.
Die Diplom-Pädagogin Verena Vogelsang von der Katholischen Hochschule Münster setzt sich für mehr sexualbezogene Medienkompetenz ein. Dazu gehört, Jugendliche zu unterstützen, nichts gegen ihren Willen zu tun – in der Befragung unter 254 Jugendlichen für Vogelsangs Dissertation erklärten 13 Prozent der Mädchen und 6 Prozent der Jungen mit Sexting-Erfahrung, dass sie Bilder von sich nur verschickt haben, weil sie unter Druck gesetzt wurden. Dazu gehöre junge Leute darüber zu informieren, auf welchen Wegen sie vertrauliche Nachrichten im Internet verschicken sollten und auf welchen nicht.
Und dazu gehört auch, über die rechtliche Situation zu sprechen. Danach macht sich jeder strafbar, der Fotos oder Videos von einer Person weiterleitet, ohne sie vorher um ihr Einverständnis dazu gefragt zu haben. „Es muss viel mehr über die Täter und ihre Unterstützer gesprochen werden, die Fotos weiterleiten. Heute ist es leider so, dass die Mehrheit der Person die Schuld gibt, die ein Foto von sich an einen geliebten Menschen verschickt hat und deren Vertrauen missbraucht wurde“, sagt Vogelsang.
Die Medienpädagogin Eva Borries macht auf die Verantwortung jedes Einzelnen aufmerksam: „Wichtig für jeden Heranwachsenden ist die Erkenntnis, dass Handeln möglich und nötig ist. Dies reicht von technischen Optionen wie dem anonymen Melden des Bildes an den Betreiber eines sozialen Netzwerkes über das Verweigern des Weiterschickens, von der Meldung des Vorfalls an Erwachsene, der Kenntnis der entsprechenden Anlaufstellen, bis hin zu der emotionalen Unterstützung des Opfers.“
Wenn alles schief gelaufen ist, dann bleibt einem noch die Strafanzeige, um die weitere Verbreitung zu verhindern. Martin Drechsler, Jurist und Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter aus Berlin: „Der Netzwerkbetreiber muss rechtswidrige Fotos entfernen, wenn er davon Kenntnis erlangt hat.“ Einen Rechtsanspruch, die eigenen Fotos auf dem Handy des einstigen Partners löschen zu lassen, gebe es dagegen nicht ohne weiteres. Lehrer in Niedersachsen, die von Cybermobbing und Sexualdelikten erfahren, sind laut Drechsler verpflichtet, diese Informationen an die Schulleitung weiterzugeben, die dann die Polizei kontaktieren muss. Nach Einschätzung von klicksafe.de, einer EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz, machen sich weder Kinder noch Jugendliche durch das Versenden der selbstaufgenommenen erotischen Bilder an den Partner strafbar.
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hat eine Wanderausstellung zum Thema „Jugendsexualität im Internet“ erarbeitet, in der auch Regeln für Safer Sexting festgehalten sind. Danach sollte man sich auf dem Bild nicht ganz nackt zeigen und solch ein Foto nur verschicken, wenn man auch eins vom Partner bekommt.
Joachim Göres
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