Kolumne Liebeserklärung: Jennifer Rostock for Landtag
Komischer Name, schlechte Musik, aber krasse Attitüde. Kann man am Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern nicht einfach die Band wählen?
E ine gute und eine schlechte Nachricht. Erst die schlechte: Die Band Jennifer Rostock, dieser Hybrid aus Guano Apes und Mia, also irgendwie laut, mit Gefühl, aber auch frech, gehört zum Besten, was Vorpommern der deutschsprachigen Musik beschert hat. Und jetzt die gute: Mal abgesehen von diesem bedauerlichen Fakt, präsentiert die Gruppe eine durchaus glaubhafte Abneigung gegen rechtspopulistische und -radikale Tendenzen bei KollegInnen und ihrem Publikum.
Schon 2013 wollten Chantal Pasewalk keine T-Shirts von den Bösen Onkelz und Frei.Wild auf ihren Konzerten sehen – die beiden Bands böten eine „große Identifikationsfläche für nationalistisches Gedankengut“. Prompt schwappte etwas unappetitlich Braunes über den Musikern zusammen. Wer solche Fans hat, braucht keine Feinde, könnte man meinen, übersieht dabei aber das Bemerkenswerte an Melanie Zinnowitz: zielgruppengenaue Ansprache. Wer solche Fans hat, hat Verantwortung – und die nehmen Mandy Wolgast wahr.
Dass Cindy Anklam nun einen Anti-AfD-Song ins Netz gestellt haben, hat deshalb auch deutlich mehr Gewicht, als wenn Konstantin Wecker zum 748. Male „Nein“ schnarrt. Wenn Jessica Stralsund nun reimen „Aber nur die dümmsten Kälber / wählen ihren Metzger selber“, dann hört die so angesprochene Lebendwurst vor der Wahlkabine das auch und kann drüber nachdenken, was die Lieblingscombo da sagt. Und die sagt so einiges.
Keine Ahnung, ob Sigmar Gabriel singen kann, aber falls er bei der nächsten Begegnung mit dem sogenannten Pack grad keinen Finger frei haben sollte, könnte er einfach den Track von Nicole Greifswald covern. So würde er in gut zwei Minuten mit klaren Argumenten, in verständlicher und volksnaher Sprache den politischen Gegner entzaubern, ohne dabei arrogant oder elitär rüberzukommen. Über 12 Millionen Videoklicks in weniger als vier Tagen weisen den Weg. Für diese Vorlage muss man jetzt natürlich nicht unbedingt Fan von Vanessa Demmin werden, aber lieben, doch, lieben sollte man sie unbedingt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
AfD-Verbotsantrag im Bundestag
Wahlkampfgeschenk für die AfD
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?