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Kommentar WikileaksAlles muss raus

Meike Laaff
Kommentar von Meike Laaff

Der Niedergang einer guten Idee: Die Whistleblower von Wikileaks um Julian Assange entfernen sich immer weiter von ihren Idealen.

Da wird das Blickfeld schnell eng: die ecuadorianische Botschaft in London, in der Assange weilt Foto: reuters

S chön blöd für Julian Assange: Auf die jüngsten Veröffentlichungen seiner Plattform Wikilekas springt – mangels politischer Relevanz – kaum jemand an. Dafür muss er sich jetzt mit der Presse rumärgern: Die Nachrichtenagentur AP wirft Wikileaks in dieser Woche vor, in Leaks der letzten Zeit sensible Informa­tio­nen über Privatpersonen nicht geschwärzt zu haben.

Darunter – vor allem bei Veröffentlichungen aus Saudi-Arabien – Berichte über Vergewaltigung und Homosexualität, über HIV-Erkrankungen, den Jungfrauenstatus zukünftiger Bräute und Sorgerechtsstreitigkeiten. Vorwürfe, die Wikileaks in seinem Twitter-Account als „lächerlich“ abtat. Ohne sie inhaltlich zu entkräften.

Wikileaks, das war einmal eine Plattform, die in ihren besten Tage die Mächtigen der Welt ordentlich ins Schwitzen brachte. Wikileaks, das war einmal der Traum von Transparenz, die die Welt verändern könnte. Zum Besseren.

Heute ist Wikileaks eher ein Beispiel für den Niedergang einer guten Idee. Als Posterboy der einst hehren Ziele von Wikileaks sitzt Julian Assange seit vier Jahren in einem Zimmerchen in der ecuadorianischen Botschaft in London. Von dort aus zieht er nach Kräften alle Fäden, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Ist doch Öffentlichkeit das, was ihn noch am besten schützt.

So befeuert er munter Verschwörungsplots und scheint inzwischen hastig und wahllos alle Dokumente rauszuhauen, deren er habhaft werden kann. Ob es nun um Material geht, das Hillary Clinton schaden soll, oder um belanglose AKP-Mails, die im Übrigen auch noch Malware auf die Rechner derer streuten, die sie lasen.

Je weniger sich Wikileaks darum schert, welche Kollateralschäden seine Veröffentlichungen anrichten, desto hohler klingen die Phrasen von den einstigen Zielen der Organisation.

Schon in besseren Tagen glänzte Wikileaks nicht gerade mit sorgfältigem Redigieren seiner gigantischen Quellenhaufen. Nur kommt eben mit großen, angeblich wichtigen Datenhaufen immer auch große Verantwortung. Je weniger sich Wikileaks ­darum schert, welche Kollateralschäden seine Veröffentlichungen anrichten, desto hohler klingen die Phrasen von den einstigen Zielen der Organisation.

Je nötiger es aber für Assange wird, im Gespräch zu bleiben, desto mehr wird Wikileaks zum PR-Organ. Zur Selbstverteidigungsplattform eines einzigen Mannes. Zulasten derer, die den Luxus der Popularität nicht genießen.

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Meike Laaff
tazzwei-Redakteurin
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9 Kommentare

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  • "Von dort aus zieht er nach Kräften alle Fäden, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Ist doch Öffentlichkeit das, was ihn noch am besten schützt.

    So befeuert er munter Verschwörungsplots und scheint inzwischen hastig und wahllos alle Dokumente rauszuhauen, deren er habhaft werden kann." - Das ist unfair. Wer die Vorgänge verfolgt hat, weiß, daß Assange (klar, so blöd ist er immerhin gewesen) in eine "honey trap" getapst ist, mit der die USA seiner gern habhaft werden möchten. Assange hat - wie Snowden und andere - ein normales Leben, das wir alle führen, aufgegeben für seine Ideale. Wenn ihn die USA kriegen, teilt er das Schicksal Mannings. Daß auch immer Eitelkeit im Spiel ist - Pah! Was denkt ihr denn? Bei Ministern/Rüstungsmanagern, die Kriege befehlen/ausrüsten, ist auch immer Eitelkeit im Spiel. Also was solls. Da gibt es mal eine Organisation, die sich von der Staatsfrömmigkeit der meisten anderen entfernt, einen "Frontmann", der mehr Mut aufbringt und mehr riskiert als wir alle - aber macht nichts, nachdem man ihn nie von ganzen Herzen unterstützt hat, kann man ihn und seine Organisation jetzt um so leichter fallen lassen. Welches Geschäft betreibt eigentlich solche Art von Journalismus?

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    "Vorwürfe, die Wikileaks in seinem Twitter-Account als „lächerlich“ abtat. Ohne sie inhaltlich zu entkräften."

     

    Wäre krasser Journalismus, wenn die TAZ das recherchiert und inhaltlich be- oder entkräftet.

  • Wikileaks hatte zum Glück nie die Ansprüche an sich selbst, die die Autorin augenscheinlich damit verbindet. Insofern kann das Fazit nur danebengehen. So widersprüchlich auch manchen die Person Assange scheinen mag, für Wikileaks ist er doch kaum soviel wie bloss die Maske.

    Was die Bedeutung angeht schaue man nur in den US-Wahlkampf, wo die Clinton-Mailaffäre seit Monaten Zündstoff bietet und nicht erst seit dem verlinkten Tweet.

  • "Ob es nun um Material geht, das Hillary Clinton schaden soll..."

     

    Stimmt. Heilige Kühe darf man natürlich nicht schlachten...

  • Wikileaks war erstmal nur eine Plattform, die brisante Leaks veröffentlichte und es den Whistleblowern ermöglichte, Leaks ohne Rückverfolgungsmöglichkeiten im Netz bereitzustellen. Was die Welt daraus macht, bzw. das sie nichts daraus macht, lässt sich nicht Assange ankreiden. Wikileaks ging ja erst nach Jahren dazu über, Material überhaupt zu kommentieren und zu bewerten. Allein dem Personalmangel ist dies schon mal geschuldet. Insgesamt wirft es kein gutes Licht auf die sog. Vierte Macht, wenn Medien und Journalisten nichts weiter unternehmen und unternahmen, als die Plattform von Anfang an in ein lächerliches Licht zu rücken. Kommentare eines Herrn Kleber, Motto: "Bürger (dutzi, dutzi) du musst nicht alles wissen" sind mir noch im Ohr. Und auch hier heißt es dann, Assange wolle Clinton ja nur persönlich Schaden...um es mal wieder in ein albernes Licht zu rücken. Dabei wird man in unseren Medien mit Geschichtchen über die Nacktbilder Trumps Frau beglückt. Journalisten wie Glenn Greenwald und sein Projekt The Intercept reißen es dann auch nicht heraus, bzw. können die Massen nicht erreichen. Hinsichtlich einer sog. Vierten Macht, die sich als links ausweist und den Kampf für Bürgerrechte zu kämpfen vorgibt, äußerst beschämend. Bzw. kommen Fragen auf, ob diese "Vierte Macht" nicht vielmehr nur eine Einheit mit erster, zweiter und dritter bildet. Also im Prinzip ein korrupter selbstgefällig Haufen. Möglich, dass Whistleblower einschließlich der Leakplattformen wie Wikileaks hier anfangs naiv waren, eine viel, viel größere Wirkung erhofften. Gerade von den Journalien die tun, als seien sie die Revoluzzer schlechthin, im Kampf für Gerechtigkeit trallala.

    • @Kerstin Baben:

      Mir geht es da wie Herrn Frank - ich stimme Ihnen zu. Mich kotzt es an, daß diese "Vierte Gewalt", die immer so mächtig auf ihr Ethos pocht und ganz das Sensibelchen gibt, wenn jemand "Lügenpresse!" schreit (was ich nie getan habe), so wenig Mumm zeigt, wenn es darum geht, Menschen wie Manning, Assange, Snowden und andere dauerhaft, mit langem Atem zu unterstützen - und sich dabei, klar, mit dem Imperium USA und seiner Vasallen-NATO anzulegen. Ich meine damit: konkret zu werden, Gewaltstrukturen von Geheimdiensten, Armeen, Thinktanks, Medien und Kriegskonzernen zu recherchieren, offen zu legen, Namen von Verantwortlichen zu nennen. Es ist richtig - wer solchen Journalismus betriebe, spielte mit seinem Leben. Daß man dies nicht möchte, verstehe ich - aber dann sollte Mann oder Frau, auch bei der TAZ, so ehrlich sein, dies zuzugeben: Wir spucken dem Imperium nicht in die Suppe, weil wir um unser Leben fürchten. Alles andere verkommt auf Dauer zum Pseudo-Journalismus.

    • @Kerstin Baben:

      Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. 100% punktgenau.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Wikileaks, das war einmal eine Plattform, die in ihren besten Tage die Mächtigen der Welt ordentlich ins Schwitzen brachte."

     

    Tut sie immer noch. Aber wehe es trifft die falschen Mächtigen.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Für mich damals hochinteressant, aber auch mein Einstieg, war der Leak "Stasi in bstu". Ein Auftragsgutachten dreier Doktörchen, das auch unter Parlamenrariern umherging (vor dem Leak) über Herrn Gaucks Behörde...